Indigene Guerilla
Von Gerd BedszentGeht es in dieser historischen Dokumentation tatsächlich um Genozid? Auch, aber in erst Linie beschreibt der mexikanische Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II, der für seine Krimis und Biographien über Che Guevara und Pancho Villa bekannt ist, die kriminelle Enteignung einer Volksgruppe: der Yaqui aus dem mexikanischen Bundesstaat Sonora.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie einfach nur eine von vielen indigenen Minderheiten in Mexiko, hatten sich willig christianisieren lassen, bearbeiteten gemeinsam das Land und lebten in ihren acht Dörfern »im wesentlichen kommunistisch«. Soll heißen: Sie kannten kein Privateigentum, keine Sklaverei, keine Knechtschaft, keine Lohnarbeit, alles gehörte allen. Ihr gemeinsamer Landbesitz weckte jedoch die Gier von Großgrundbesitzern, die sie enteignen wollten. Die Dörfer wehrten sich und gingen zu einem Guerillakrieg über. Das Militär begann daraufhin mit ihrer systematischen Auslöschung. Und da die Soldaten die Yaqui nicht von den Nachbarstämmen unterscheiden konnten, traf dies auch andere indigene Ethnien im Norden Mexikos.
Der größte Teil des Buches umfasst eine nur schwer zu ertragende Auflistung von Massakern an Frauen und Kindern, standrechtlichen Erschießungen, Lagerhaft, Zwangsdeportationen, kollektiven Selbstmorden und sonstigen Greueltaten. Die meisten Yaqui mussten ihr Festhalten am kollektiven Eigentum und den Widerstand gegen die Enteignung mit dem Leben bezahlen. Bis 1909, als der Vernichtungskrieg offiziell beendet wurde, wurden sie von etwa 30.000 auf knapp 7.000 dezimiert. Von diesen letzten Yaqui lebte die Mehrheit außerhalb des eigenen Territoriums. Sie waren entweder über die nahe Grenze in die USA geflüchtet oder mussten auf agrarkapitalistischen Plantagen im Süden Mexikos Sklavenarbeit leisten.
1909 endete zwar offiziell der Vernichtungskrieg gegen die Yaqui, nicht aber ihr Widerstand. 1911 begann die Mexikanische Revolution: Yaqui-Abteilungen kämpften nun in den Reihen von Pancho Villas Rebellenarmee gegen die Militärs. Erst 1937 wurde dann den letzten Überlebenden etwa ein Fünftel des Stammeslandes zurückgegeben.
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Paco Ignacio Taibo II: Die Yaqui. Indigener Widerstand und ein vergessener Völkermord. Aus dem Spanischen von Andreas Löhrer, Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg 2017, 245 Seiten, 18 Euro
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