Beklemmende Ambivalenz
Blut und Boden, das war ein zentrales Begriffspaar der faschistischen Ideologie. Während es in Oswald Spenglers »Untergang des Abendlandes« (1922) immerhin noch um einen »Kampf zwischen Blut und Boden« ging, waren ein »rassisch reines Volk« und dessen »ureigener Boden« für die Nazis untrennbar verbunden und extrem wichtig. Am heutigen Samstag wird im Berliner Martin-Gropius-Bau eine Ausstellung mit Fotografien der Tatorte des NSU eröffnet. »Blutiger Boden« ist ihr Titel. Welcher Teufel hat die Fotografin Regina Schmeken geritten, ihre Aufnahmen aus den Jahren 2013 bis 2016 unter diesem Slogan zu präsentieren?
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die naheliegendste wäre ein dümmlich-ironisches Spiel mit Nazipropaganda, was in diesem Zusammenhang als Verhöhnung der Opfer zu bewerten wäre. In Frage kommt wohl auch die dunkle Einflussnahme des Kurators und wissenschaftlichen Direktors der Ausstellung, Gorch Pieken. Dieser schneidige Typ leitet das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden, arbeitet aber auch mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sehr erfolgreich zusammen.
Wenn man jetzt noch bedenkt, wie tief der Staat in die Mordserie verstrickt war, der nun diese Schau mit großformatigen Schwarzweißfotografien auf allen erdenklichen Ebenen fördert – bis hin zum Bundesjustizministerium –, ergibt sich zumindest eine Ambivalenz, die in dieser Sache ziemlich unangebracht scheint. »Das Unauffällige, Banale und Gewöhnliche« sei »das Beklemmendste an diesen Fotografien«, meinte Hans Magnus Enzensberger. Mehr noch gilt das für den Rahmen, in dem sie präsentiert werden. (jW)
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