Vergessene Erinnerungen
Ihr Rücken ist gebeugt, sie tragen Metallmarken, auf denen der Name eines Toten steht. 600.000 Tonskulpturen erinnern in der Nähe der belgischen Kleinstadt Ypern daran, dass dort während des Ersten Weltkriegs über eine halbe Million Menschen ums Leben gekommen sind. »ComingWorldRememberMe« (etwa: Kommende Welt erinnere dich an mich) heißt die monumentale Landart-Installation des belgischen Künstlers Koen Vanmechelen. Sie ist eines der Kunst- und Kulturprojekte, mit denen in Belgien an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert wird – und an die Sinnlosigkeit des damaligen Blutvergießens.
Soweit das Auge reicht: kleine Tonfiguren, Rücken an Rücken und in der Mitte ein großes aufgesprungenes Bronzeei. Vier Jahre hat der Konzeptkünstler an der Installation gearbeitet. Geholfen haben ihm dabei Tausende von Menschen. Zwischen 2014 und 2018 beteiligten sich Ateliers in etlichen Ländern an der Herstellung der Bestandteile. Auf der Metallmarke jeder Tonfigur steht nicht nur der Name eines Toten. Auch den Namen desjenigen, der die menschliche Lehmgestalt geformt habe, wurde eingraviert. Dadurch würden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden, erklärt Vanmechelen. Oder, wie der Künstler sagt: »Die Zukunft hängt von den vergessenen Erinnerungen ab.« Heute gebe es eine Generation, die nicht mehr wisse, was Krieg bedeute.
Zwei Monate lang seien etwa 15.000 Tonfiguren täglich platziert worden, erzählt Vanmechelen. Die 600.000 Tonfiguren stehen bei Ypern, wo Briten und Franzosen gegen deutsche Truppen kämpften, wo zwischen 1914 und 1918 über eine halbe Million Soldaten fielen und am 22. April 1915 durch die Deutschen erstmals Giftgas zum Einsatz kam. Bis zum 11. November – das Datum markiert das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren – kann die Installation nun begangen werden. (dpa/jW)
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