Unsere schärfste Waffe
Für kämpferischen linken Journalismus braucht es mehr als theoretisches Rüstzeug: Fachliche Kompetenz und handwerkliches Geschick der Macherinnen und Macher, ein Netz engagierter Autoren und Unterstützer sowie eine halbwegs funktionierende technische Basis. Unverzichtbar bleibt zudem das Instrument, welches Friedrich Engels bereits 1886 als »unser bestes Arbeitsmittel und unsere schärfste Waffe« charakterisierte: die materialistische Dialektik. Sie konsequent anzuwenden, sichert nicht nur einen Eintrag im Bundesverfassungsschutzbericht. Es ermöglicht vor allem zu schreiben, was wirklich ist. Und damit Veränderung zu befördern. Denn in Zeiten der Restauration auf allen gesellschaftlichen Ebenen tut Aufklärung dringend not. Die Widersprüche und Ungerechtigkeiten der herrschenden Welt(un)ordnung zu beschreiben, reicht nicht. Sie als Folgen von veränderbaren Klassenverhältnissen begreifbar zu machen, ermöglicht erst zielgerichteten Widerstand. Um diesen zu verhindern und Unterwerfung unter das Diktat des großen Geldes als alternativlos erscheinen zu lassen, bemühen sich die Kopflanger des Kapitals redlich, den Marxismus nach Kräften verschwinden zu lassen.
Anlässlich des Marx-Jubiläums nehmen Zahl und Ausmaß derartiger publizistischer Verrenkungen erwartungsgemäß zu. Besonders beliebt ist es gegenwärtig, den von Engels überlieferten Marx-Ausspruch zu strapazieren, er sei kein Marxist. Selbst eine Doktoranden-Tagung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fand unter diesem Motto statt. Geflissentlich übersehen wird der sarkastische Kontext dieses Zitats. Marx und Engels ging es um die Abgrenzung von sich progressiv gebenden »jungen deklassierten Bürgerlichen«. Diese waren bereits damals im Begriff, die erfolgreiche sozialistische Bewegung zu infiltrieren.
Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus waren sich der Gefahr wohl bewusst: Dogmatiker wollten sich die Interpretationshoheit über ihre Lehre sichern, um sie inhaltlich zu entschärfen. Nach 1989/91 gewann dieser Prozess an Fahrt. Zum Geschäft einer marxistischen Tageszeitung gehört es, diesem Ansinnen eine historisch-dialektische Weltsicht entgegenzusetzen. Dabei nicht in Beliebigkeit abzugleiten und gesichertes Wissen nicht über Bord zu werfen, wird von Gegnern wie den vorgenannten ironischerweise als Dogmatismus denunziert. So gesehen ist das jW-Kollektiv beim Einsatz von Schreib- und sonstigem Gerät auch weiterhin gern dogmatisch. Doch dabei immer bemüht um eine leichte Hand.
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Leserbriefe zu diesem Artikel:
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vom 05.05.2018