Also gut
Von Wiglaf DrosteAndreas lehnt sich zurück. »Als ich heute zur Bank ging, war ich ziemlich durch und am Ende. Ich wollte Geschäfte machen, noch dazu mit Leuten, die ich rückhaltlos verabscheue. Aber mir fiel nichts mehr ein, ich sah mich auf allen Feldern geschlagen und gescheitert. Und dann« – sein Gesicht erhellte sich – »tauchtet ihr auf! Was für eine Bande, was für ein wunderbares Kuddelmuddel, was für Nietzscheanischer Glanz!« Er zitierte aus dem Gedächtnis: »›Man muss noch Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können!‹ Den Spruch hatte eine Frau über ihrem Bett hängen, mit der ich eine Nacht verbracht habe. Und so, auf diesem schönsten aller Wege, zu Nietzsche fand. In Paderborn! Die Frau war eine Oase kreativer Fruchtbarkeit in der katholischen Wüstenei aus Engstirnigkeit und Menschenhass!« Sein Gesicht leuchtete, von Erinnerung befeuert. »Die hieß übrigens auch Melissa! Jetzt lebt sie in Schwäbisch Hall!« Er bekreuzigte sich und sagte »A-mèn!«
Jochen konnte nicht anders, als auf diesen Zug aufzuspringen. »Und ich bin in Berlin mal bei einer Frau gelandet«, sprudelte es aus ihm heraus, »natürlich in Kreuzberg, die sich in riesengroßen Lettern ›MACH DIE MÖSE AUF UND LASS DIE SAU RAUS!‹ an die Wand geschrieben hatte, direkt übers Bett, blutrot auf schwarz, da stand ich ziemlich begossen da ... O Mann!« unterbrach er sich, »schon wieder gehe ich dir auf den Leim. Du hast mich schon immer mit Musik und mit Geschichten gekriegt und eingewickelt! Ich will das aber wissen: Was hast du gemacht all die Jahre? Von mir aus erzähl’s von hinten nach vorn: Was hast du heute in der Bank gemacht?«
»Von hinten oder von vorn, das ist doch gehupft wie getupft.« Andreas hob die Arme. »Also gut.« Er sammelte sich. »Ich brauchte einen Waschsalon, um einen Batzen Geld sauber zu kriegen. Banken sind immer noch geeignete Fassaden, die Kundschaft lernt ja nichts dazu und lässt sich weiter ausnehmen, und ein Typ wie Schwabedissen hat exakt die soignierte Visage dazu. An das Geld bin ich unter etwas« – er zögerte kurz, um die richtigen Worte zu wählen, sei es um einer glaubhaften Lüge oder einer glaubhaften Wahrheit willen – »dubiosen und nicht ganz legalen Umständen geraten.«
Fortsetzung folgt
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