Siebenmal blättern
Fast jeder Abiturient muss sich einmal durch »Effi Briest« oder »Der Stechlin« fräsen, die Begeisterung für deren Autor Theodor Fontane (1819–1898) hält sich bei jungen Lesern entsprechend in Grenzen. Vielleicht kann da die neumodisch konzipierte Ausstellung »fontane.200/Autor« Abhilfe schaffen, die am Samstag in seiner brandenburgischen Geburtsstadt Neuruppin eröffnet wird und bis Ende des Jahres dauert. Damit fällt auch hochoffiziell der Startschuss fürs »Fontane-Jahr«, an dessen Ende des Dichters 200. Geburtstag begangen wird (in jW seit Januar schon regelmäßig von Stefan Gärtner). Natürlich müssen sich zu dem Anlass auch sozialdemokratische Bundes- und Ministerpräsidenten im Ort rumtreiben, Vorsicht ist also geboten. In der Ausstellung kann man dann etwas über den poetischen Realisten als »Wortsampler, Schreibdenker und Textprogrammierer« lernen. »Sie zeigt, so würde es Fontane wohl selbst gesagt haben, die ›Mache‹ seiner Literatur«, so Kuratorin Heike Gfrereis. Erstmals könne man alle 67 Notizbücher sehen, die aus Lichtschutzgründen in der Zeit der Ausstellung siebenmal umgeblättert werden müssen. Interaktive Medienanimationen sollen die Denk- und Arbeitsweise des Romanciers erfahrbar machen. Hübsch ist auch die Idee, 200 Aufkleber mit außergewöhnlichen Wortschöpfungen Fontanes im Museum zu verteilen. Ausdrücke wie »Ängstlichkeitsprovinz«, »Kaffeekuchenpyramide«, »Weltverbesserungsleidenschaft«, »Zärtlichkeitsallüren« oder »Schuhbürstenbackenbart« sollten eh wieder in Gebrauch kommen. (pm)
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