Schöne Aussicht
Nach der Rückgabe von Gemälden des Malers Emil Nolde aus den Arbeitsräumen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen nun auch die als Ersatz gedachten Arbeiten des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff in Frage. Nach Informationen der dpa wird hinter den Kulissen erneut über mögliche Leihgaben verhandelt. »Es ist noch keine definitive Entscheidung gefallen«, hieß es dazu am Samstag bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Von seiten der Regierung gab es zunächst keine Stellungnahme.
Bislang hingen zwei Gemälde Noldes als Leihgaben der Stiftung in Merkels Arbeitszimmer. Der Expressionist (1867–1956) war Antisemit, Rassist und frühzeitig überzeugtes NSDAP-Mitglied. Nachdem sich die kulturkonservative Mehrheit um Alfred Rosenberg in der Nazipartei durchgesetzt hatte, wurde Nolde allerdings wegen seines Malstils 1937 in der berüchtigten Schau »Entartete Kunst« gezeigt und 1941 aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen. Deshalb galt er vielen als verfemter innerer Emigrant. Sein Verhältnis zu den Nazis ist auch Gegenstand der Ausstellung »Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus« (12.4.–15.9.), die am Freitag im Berliner Museum Hamburger Bahnhof eröffnet wird. Dort soll u. a. das bislang im Kanzleramt hängende Gemälde »Brecher« (1936) zu sehen sein. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, Merkel habe entschieden, auch das zweite Bild »Blumengarten (Thersens Haus)« (1915) zurückzugeben. Eine Begründung gab er nicht.
Als Ersatz sollten »Haus unter Bäumen« (1910) und »Häuser am Kanal« (1912) von Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) dienen. Doch auch er ist durch antisemitische Verlautbarungen aufgefallen. So hatte er während des Ersten Weltkriegs etwa geschrieben, die Engländer seien ein »Volk, das vollkommen durch die Juden verseucht ist«. An anderer Stelle ist über Berlin zu lesen: »Diese Juden hier tragen die große Überzeugung schon öffentlich mit sich herum, dass sie nach dem Kriege auch politisch herrschen. Doch ich denke, der deutsche Gott wird uns davor bewahren und es ihnen gründlich in die Bude schneien lassen.« Aus der Zeit des deutschen Faschismus wurden hingegen keine regimefreundlichen oder antisemitischen Äußerungen des Künstlers gefunden.
Merkel ist übrigens nicht die erste Kanzlerin, die sich bei der Arbeit an Werken Emil Noldes erfreuen konnte. »Brecher« suchte bereits der Nolde-Sammler Helmut Schmidt (SPD) für das Bonner Kanzleramt aus. (dpa/jW)
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