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Aus: Ausgabe vom 17.08.2019, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Paris ist frei!

Peter Gingold (1916–2006) war Kommunist und Jude. Als Jugendlicher emigrierte er nach Paris. Nach dem Einmarsch der Deutschen 1940 schloss er sich dem deutschen Zweig der Résistance an. Die Gestapo verhaftete ihn; er konnte entkommen. Im August 1944 war er an der Befreiung von Paris beteiligt. Nach 1945 kehrte er in seine Heimatstadt Frankfurt am Main zurück.

Es ist aufschlussreich, die Wege der beiden deutschen Résistancekämpfer nach 1945 zu vergleichen: Erhard Stenzel konnte lernen – im Direktstudium und zweimal im Fernstudium. Sein Leben in der DDR verlief keineswegs glatt. Er hat Konflikte und Frustrationen erlebt, die aber doch nicht vergleichbar sind mit den bitteren Erfahrungen des Kommunisten und Juden Peter Gingold in der Bundesrepublik (Hausdurchsuchung, Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft, Berufsverbot für die Tochter Silvia). In dem Buch »Paris – Boulevard St. Martin No. 11« (Köln, 6. Auflage 2019) hat er sein Leben niedergeschrieben. Dort schildert er auch folgende Erlebnisse aus dem befreiten Paris: »Es fanden auch entsetzliche Szenen von Selbstjustiz gegenüber Kollaborateuren statt. Da entlud sich der Zorn gegen die Verräter. Das war grässlich. Mädchen, denen – umringt von Johlenden – die Haare abgeschnitten wurden, manche bekamen noch ein Hakenkreuz aufgemalt. Das taten in keinem Fall die Résistancekämpfer. Bei einem Volksaufstand kommt immer auch ein Teil des Pöbels hoch, der nach dem Sieg seinen Heldenmut bezeugen will: Viele, die wir als »résistants de la dernière minute« bezeichneten, die Widerstandskämpfer der letzten Minute; und auch solche Offiziere, die jetzt in ihren Uniformen herumliefen, die wir »les Naphtalines« nannten. Damit meinten wir jene, die bis dahin nichts getan hatten, nun aber dabeisein wollten und aus ihren Schränken die Uniformen herausholten, die nach Mottenpulver rochen.«

Zum 75. Jahrestag steht sicherlich erneut die Frage im Raum: Wer hat Paris befreit? Und es wird, wie auch damals, kontrovers diskutiert werden. Jean-Paul Sartre hat im Herbst 1944 so geantwortet: »Wenn man heute nicht verkündet, dass Paris sich selbst befreit hat, gilt man als Volksfeind. Dabei scheint es offenkundig, dass die Stadt nicht einmal im Traum daran hätte denken können, sich zu erheben, wären die Alliierten nicht ganz nahe gewesen. Und da die ihrerseits nicht einmal im Traum an eine Landung hätten denken können, hätten nicht die Russen den größten Teil der deutschen Divisionen aufgehalten und geschlagen, so muss man wohl den Schluss ziehen, dass die Befreiung von Paris, als Episode eines weltweiten Krieges, das gemeinsame Werk aller alliierten Kräfte gewesen ist.« (»Paris unter der Besatzung«, deutsche Erstausgabe 1980)

(hk)

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