Hintergrund: AfD – Verwerfungen auf allen Ebenen
Die Gefahr eines Parteizerfalls wird vom stellvertretenden AfD-Fraktionschef in Brandenburg, Steffen Kubitzki, an die Wand gemalt. Solche Szenarien können die Funktion der Disziplinierung nach innen haben. Kubitzki positioniert sich aber zugleich im internen Richtungsstreit der Partei. Nachdem er sich als einer der wenigen in Brandenburg gegen den Rechtsaußenpolitiker Andreas Kalbitz gestellt hatte, verwies Kubitzki am Sonntag auf Austritte aus Kommunalfraktionen und heftigen Streit.
Auch in der Berliner Abgeordnetenhausfraktion gärt es. In einem offenen Brief aus der Fraktion wird ein Klima des Misstrauens beklagt – und die Fraktionsführung unter Georg Pazderski dafür verantwortlich gemacht. Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Vorsitzende der AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative«, Damian Lohr, das Handtuch geworfen. Lohr, der Burschenschafter ist und keine Berührungsängste zu den Identitären hat, fühlte sich abgelehnt: »Für die einen war ich die Marionette des Verfassungsschutzes und der Liberale, für die anderen habe ich zu wenige Leute herausgeworfen und war der böse Flügler«, erklärte er mit Blick auf den formell aufgelösten ultrarechten »Flügel«. Der Richtungsstreit erfasste auch die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Nachdem deren Vorsitzende Erika Steinbach den »Flügel«-Mann Erik Lehnert, Geschäftsführer des »Instituts für Staatspolitik«, aus dem Vorstand entfernen ließ, sägt jetzt die Parteirechte – unterstützt von Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland – am Stuhl Steinbachs.
Auch die Bundestagsfraktion ist ins Schlingern geraten. Anfang Juli wurde ein interner Brandbrief publik, in dem ein Mitglied heftige Kritik an der Führung übte, die offenbar vielfach geteilt wird. »Das einstige Aushängeschild der AfD, nämlich unsere Bundestagsfraktion, verblasst in ungekannter Schnelligkeit«, so die Analyse. »Wir haben keine Antworten auf die politischen Fragen unserer Zeit. Oder sind unfähig, sie zu plazieren.« Fraktionschefin Alice Weidel tauche in Sitzungen ab und habe keine erkennbaren Positionen; Gauland kiete keine Zukunftsperspektive.
Als jüngste der »Altparteien« beschrieb Mitgründer Konrad Adam bei Welt online Mitte Juni die AfD. In der Tat hat sich die Bundestagsfraktion schnell im Parlamentarismus eingerichtet. Die anfängliche Disziplin bei der Anwesenheit im Plenum ist verschwunden. Und jüngst beklagten sich Abgeordnete anderer Fraktionen, dass der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, AfD-Politiker Peter Boehringer, während der Beratung zum Nachtragshaushalt glatte vier Stunden der Sitzung geschwänzt habe. (gw)
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