Aus: Ausgabe vom 09.11.2021, Seite 2 / Inland
Rasche Umsetzung des Volksentscheids gefordert
Berlin. Die Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« hat von SPD, Grünen und Linkspartei am Montag die Umsetzung des Volksentscheids in ein Vergesellschaftungsgesetz innerhalb eines Jahres gefordert. Sie erinnerte an frühere Positionierungen von Spitzenpolitikern. So habe SPD-Fraktionschef Raed Saleh in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel (März 2015) geschrieben, dass Volksentscheide »genauso verbindlich sind wie Parlamentsbeschlüsse«. Dieses Verständnis »jetzt aufzukündigen«, sei »weder sozial noch demokratisch«, erklärte Jonas Becker, ein Sprecher der Initiative, am Montag. (jW)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (10. November 2021 um 10:28 Uhr)Die Abgeordneten zur Umsetzung des Volksentscheides zu mahnen ist sicher gut. Allerdings wird die Umsetzung anders aussehen müssen als im Gesetzentwurf der Kampagne »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« (DWE) vorgesehen. Der dürfte kaum verfassungskonform sein, etwa was die auf Jahrzehnte verzögerte Zahlung der Entschädigung betrifft. Das geht nicht. Im Buch »Enteignungsentschädigung« der Autoren Aust, Jacobs und Pasternak heißt es (7. Auflage, Seite 6): »Die Forderung des Grundgesetzes nach einer angemessenen und gerechten Entschädigung ist nur erfüllt, wenn die Entschädigung im Augenblick der Wegnahme (Besitzübergang) gezahlt wird.« Fragwürdig ist weiter die Höhe der Entschädigung, die auf Basis einer Nettokaltmiete von rund vier Euro pro Quadratmeter berechnet wird. Das ist weit unter Marktwert. Wer seine Immobilienaktien erst kürzlich erworben hat, muss da einen schroffen Verlust abschreiben. Nur wer seine Immobilien vor hinreichend langer Zeit während des Preistiefs erwarb, kommt da ohne Verlust heraus; und eher für diesen zweiten Fall ist eine Entschädigung unter Wert gedacht. Schließlich wäre zu prüfen, ob die quasi öffentliche Verschuldung – zudem einzig bei den enteigneten Alteigentümern – nicht ein Verstoß gegen die Schuldenbremse des Grundgesetzes und ein Verstoß gegen die Abgabengerechtigkeit ist. Die Stadt sollte angesichts solcher Bedenken vielleicht lieber Wohnungen bauen, Belegungsrechte aushandeln, keine Bauwagenplätze räumen, sondern neue ausweisen, Wohnen in Kleingärten restriktiv zulassen und allenfalls sukzessive im Rahmen der klammen finanziellen Möglichkeiten enteignen. Über den Bundesrat kann man noch die Abschöpfung unethisch hoher Gewinne aus der zu teuren Vermietung von Altbauten anschieben, um mit dem Geld sozialen Wohnungsbau und mehr Wohngeld für sozial Schwächere zu finanzieren. Wenn die Kampagne DWE einen neuen Volksentscheid – diesmal über einen entsprechend korrigierten Gesetzentwurf – auf den Weg bringt, wird sie weit effektiver Druck erzeugen können als mit Appellen.
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