Lauter Widersprüche
Ob es um den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie geht oder die Grabenkämpfe um das Gendersternchen – das Institut für Sozialforschung (IfS) in Frankfurt am Main will im 100. Jahr seines Bestehens weiter dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft besser versteht. Das Institut feiert 2023 sein Jubiläum mit Veranstaltungen für verschiedene Zielgruppen. Ein großer Festakt mit Prominenz aus Wissenschaft und Politik steht am 23. Januar an.
Bei der Gründung 1923 mit Mitteln des Mäzens Felix Weil war das IfS ein marxistisches Forschungsinstitut. Noch heute seien zentrale Begriffe des aufgeklärten Marxismus wichtig für die Arbeit des Instituts, so der aktuelle Direktor Stephan Lessenich. »Begriffe wie Krise, Widerstand, Ideologie oder Kritik sind auch heute noch relevant für eine kritische Gesellschaftsanalyse.« Unter Direktor Max Horkheimer prägten die Mitarbeiter des Instituts das, was als Kritische Theorie bekannt wurde. Der Marxismus wich einer »sozialphilosophisch ausgerichteten Gesellschaftskritik«. 1933 schloss die Gestapo das Institut. In Genf und New York führten Exilanten die Arbeit fort. 1949 kehrten die Forscher nach Frankfurt zurück, 1950 wurde das Institut als private Stiftung mit öffentlichen Mitteln wiedererrichtet.
Im Jubiläumsjahr soll ein neues Forschungsprogramm ausgearbeitet werden, bei dem laut Lessenich der Begriff des Widerspruchs eine große Rolle spielen soll. Das bedeutet einerseits »die knallharten Widersprüche« der Gesellschaft, etwa den Zielkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie. Zugleich könne man sich den Widerspruch einzelner Bevölkerungsgruppen ansehen und versuchen aufzudecken, in welchen gesellschaftlichen Widersprüchen sie wurzeln. Die Wissenschaft könne dazu beitragen, »von den Oberflächenphänomen« wegzukommen und »darunterliegende Strukturentwicklungen beleuchten«, erklärt Lessenich. (dpa/jW)
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