75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 22. November 2024, Nr. 273
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 08.04.2023, Seite 11 / Feuilleton
Religion

Das vierte Zeugnis

Ein Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat in der Bibliothek des Vatikans das Fragment einer 1.750 Jahre alten Übersetzung des Neuen Testaments entdeckt. Bei den zwei Seiten handle es sich um das fast vollständige zwölfte Kapitel aus dem Matthäus-Evangelium, sagte am Donnerstag der Mittelalterforscher Grigory Kessel, dessen Arbeit im Fachblatt New Testament Studies erschienen ist. Das Fragment sei bisher das einzige bekannte Überbleibsel einer vierten Handschrift, die die altsyrische Fassung bezeuge, und biete einen einzigartigen Zugang zur sehr frühen Überlieferung der Evangelientexte, teilte die ÖAW mit. Die syrische Übersetzung wurde laut ÖAW mindestens ein Jahrhundert vor den ältesten erhaltenen griechischen Handschriften verfasst. Das Kapitel thematisiert unter anderem das Verhalten am Sabbat. »In jener Zeit ging Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder. Seine Jünger hatten Hunger; sie rissen deshalb Ähren ab und aßen davon. Die Pharisäer sahen es und sagten zu ihm: ›Sieh her, deine Jünger tun etwas, das am Sabbat verboten ist.‹« Der mit Hilfe von Ultraviolettfotografie entdeckte Text verbarg sich in einem zweifach neu beschrifteten Manuskript. Die Übersetzung erfolgte im 2. oder 3. Jahrhundert. Vor etwa 1.300 Jahren habe ein Schreiber in Palästina das ursprüngliche Evangelienbuch, das mit dem syrischen Text beschriftet war, ausradiert, so die Akademie. Pergament sei im Mittelalter in der Wüste Mangelware gewesen, deshalb seien Manuskripte häufig wiederverwendet worden. Bis vor kurzem waren laut ÖAW nur drei Handschriften bekannt, die die altsyrische Übersetzung der Evangelien enthalten. Das kleine Fragment, das jetzt gefunden worden sei, könne als viertes Textzeugnis betrachtet werden. (dpa/jW)

Mehr aus: Feuilleton