Aus: Ausgabe vom 19.08.2023, Seite 11 / Feuilleton
Zensur
Lieber nicht
Ein für den 16. Oktober in Prag geplantes Konzert der russisch-österreichischen Sopranistin Anna Netrebko ist abgesagt worden. Das teilten die Prager Stadtverwaltung und Netrebkos Agentur am Donnerstag der tschechischen Nachrichtenagentur CTK mit. Die Absage sei einvernehmlich erfolgt. »Wir haben uns geeinigt, dass wir dem politischen Druck nachgeben und Anna keine Entschädigung verlangen wird«, sagte eine Sprecherin der Konzertagentur.
Der Prager Vizebürgermeister Jiří Pospíšil begrüßte die Einigung. Das Konzert war in einem städtischen Saal geplant. Netrebko steht auf einer ukrainischen Sanktionsliste, obwohl sie den Ukraine-Krieg klar verurteilt hat. (dpa/jW)
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (20. August 2023 um 06:52 Uhr)»Netrebko steht auf einer ukrainischen Sanktionsliste, obwohl sie den Ukraine-Krieg klar verurteilt hat.« Also die Ukraine hat zu bestimmen, wer in der Welt wo auftreten darf? Dann schauen wir doch mal, welche Künstler die Palästinenser auf eine Sanktionsliste setzen, weil die sich nicht klar von den Kriegen und militärischen Aktionen Israels distanziert haben. Mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit wird derjenige, der dazu aufruft, als Antisemit verurteilt werden und seinerseits auf einer Sanktionsliste landen, die dann auch umgesetzt wird, nicht die palästinensische. Es gibt Länder, die seit über 200 Jahren unaufhörlich Krieg führen können wie die USA. Keiner sanktioniert die. Wie ärmlich und beschämend ist das alles, dann auch noch nachzugeben … Was wäre denn, wenn jemand alle deutschen Künstler auf Sanktionslisten setzt, die sich in den vergangenen 50 Jahren nicht klar von jedem Krieg ihrer Verbündeten und vom eigenen Krieg in Jugoslawien distanziert haben? Ist dann noch jemand übrig auf der Bühne? Wir gewöhnen uns hier alle daran, dass es ganz normal ist, unterschiedliche Regeln und Gesetze bei Krieg führenden Staaten und ihren Bürgern anzuwenden, ganz nach eigenem rassistischem Belieben. Insbesondere Russen ist nie das gestattet, was allen Bürgern in westlichen Ländern selbstverständlich gestattet ist, z. B. als Künstler irgendwo aufzutreten, ohne sich zum Krieg zu äußern, den sein Land führt. Von diesem ständigen zweierlei Maß auf allen Ebenen als Gewohnheits»recht« kommen wir scheinbar nicht mehr weg. Das sind die Regeln von Kolonialisten oder Rassisten. Wir hatten es in Südafrika, bei den rassistischen Gesetzen der USA vor der formellen Gleichstellung aller Bürger oder im Zweiten Weltkrieg in Warschau: »Für Polen ist die Benutzung dieses Straßenbahnwagens untersagt«. Jetzt sind es eben Opernbühnen, die für bestimmte Russen gesperrt sind. Wehret den Anfängen. So etwas kann auch mal wieder in einer neuen Variante von »Nürnberger Gesetzen« enden.
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