Der fremde Affe
Von Jens WalterUh, Uh, Uh, Uhhhh, Uhhhh, Uhhhh«, so ungefähr klingt es, wenn die Primatologin Jane Goodall sich in der Ausdrucksweise der Schimpansen vorstellt. Die für ihre bahnbrechenden Beobachtungen bei den engsten Verwandten des Menschen berühmt gewordene Britin feiert am 3. April ihren 90. Geburtstag. Goodall, die im Jahr 1960 als 26jährige mit der Erforschung einer Gruppe von Schimpansen im heutigen Gombe-Stream-Nationalpark in Tansania begann, revolutionierte die Sicht auf die Affen, bei denen sie bald schon Wesenszüge und Verhaltensweisen feststellte, die vom Menschen bekannt sind.
»Damals in den frühen 60er Jahren glaubten viele Wissenschaftler, dass nur Menschen einen Verstand haben, dass nur Menschen in der Lage sind, rational zu denken«, sagt sie in dem Dokumentarfilm »Jane«. Goodall hatte ihre Position dem britisch-kenianischen Anthropologen Louis Leakey zu verdanken. Leakey, der sich von ihren Kenntnissen und ihrer Begeisterung beeindruckt zeigte, beauftragte sie damit, eine Gruppe Schimpansen an den Ufern des Tanganijkasees im Norden des heutigen Tansania zu erforschen. Zunächst von ihrer Mutter begleitet, trotzte Goodall monatelang jeder Witterung und allerlei Gefahren wie Giftschlangen, um in die Nähe ihrer Forschungsobjekte zu gelangen – zunächst vergeblich. Die Schimpansen liefen davon. Doch nach und nach gewöhnten sich die Tiere an den Anblick des »fremden weißen Menschenaffen«, wie sie sich selbst gerne nennt. Bald wurde sie Teil ihrer Gemeinschaft.
Ihr bester Freund wurde David Greybeard, ein gutmütiges männliches Tier mit weißem Haar am Kinn, das als erstes wagte, in ihre Nähe zu kommen. Greybeard öffnete ihr die Tür zur Erforschung der Gruppe. Sie beobachtete ihn, als er mit einem Stöckchen in einem Termitenbau stocherte und damit die Insekten fing. Er präparierte Zweige sogar dafür, indem er die Blätter abstreifte. Bis dahin galt die Verwendung von Werkzeugen als wichtigste Unterscheidung zwischen Menschen und Tieren.
Goodall beobachtete auch zärtliches Verhalten, Umarmungen, Berührungen und Trauer in Gombe. Eine verheerende Polio-Epidemie unter den Affen und später tödliche Auseinandersetzungen zwischen den Tieren brachten jedoch Ernüchterung in die beinahe paradiesisch anmutende Welt. »Ich dachte, sie wären wie wir, aber netter als wir«, sagt Goodall rückblickend und fügt hinzu: »Ich hatte keine Ahnung von der Brutalität, die sie an den Tag legen können.«
Goodall wandte sich dem Arten- und Umweltschutz zu, als sie erkannte, dass Schimpansenpopulationen überall schrumpften und ihren Lebensraum zunehmend verloren. Auch im hohen Alter tourt sie unermüdlich um die Welt, um Menschen mit Vorträgen und Begegnungen wachzurütteln.
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