4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Sa. / So., 04. / 5. Mai 2024, Nr. 104
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Nicht nur Vasallen

EU-Europa und die NATO
Von Reinhard Lauterbach
Nato_Aussenministert_81569160.jpg

Die Londoner Times brachte es am Donnerstag auf den Punkt: Aufgabe des NATO-Außenministertreffens sei es gewesen, das atlantische Militärbündnis »Trump-fest« zu machen. Nämlich für den Fall, dass der Mann im November wieder gewählt wird und seinen Spruch wahrmacht, die USA hätten den großen Vorteil, dass zwischen ihnen und all den europäischen Problemen »ein großer, tiefer Ozean« liege. An dieser Haltung ist so viel richtig, dass die USA von dem, was zum Beispiel in der Ukraine geschieht, nicht unmittelbar betroffen sind. Sie können dort einen Krieg am Laufen halten, wenn sie sich etwas davon versprechen – aber sie müssen es nicht, wenn die Kalkulationen in Washington sich ändern. Nichts wäre falscher, als sich einen Donald Trump als Friedensfürsten vorzustellen.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die europäischen NATO-Staaten zum Engagement in der Ukraine im Unterschied zu den USA gezwungen seien. Es ist schon ihr eigenes Interesse, das sie dazu veranlasst, ein Land, das sie per »Östlicher Nachbarschaftspolitik« als EU-Einflussgebiet beansprucht haben, nicht wieder aus ihrer Hegemonialsphäre zu entlassen. Das oft zu hörende Argument der Baerbocks und Co. lautet: Wo kämen wir hin, wenn das einrisse? Dann kämen wir dahin, dass die EU kleinere Brötchen backen müsste in ihrem Zugriff auf die Ressourcen der Welt. Ganz praktisch gedacht lautet das: Das im Donbass vermutete Lithium gehört »uns« und jedenfalls nicht Russland. Das ist die Grundregel der »regelbasierten Weltordnung«, was wir wollen, müssen wir bekommen.

Die »europäische Einigung« ist in ihrer Frühphase von den USA gefördert worden, um die politischen und ökonomischen Machtmittel der kleineren kapitalistischen Staaten in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu bündeln. Eine Zeitlang sah es so aus – und die EU wiegte sich in dieser Vorstellung –, als könnte das »vereinte Europa« Washington auf globaler Ebene Konkurrenz machen. Das ist vorbei, das haben die USA mit dem Verbot des Gasbezugs aus Russland und seiner praktisch-terroristischen Durchsetzung klargestellt. Europa ist auf seine machtpolitische Drittrangigkeit zurückgestutzt worden. Und genau dieser weltpolitische Nasenstüber ist es, was die europäischen »Bündnispartner« so fuchst. Daher das ständige Reden davon, dass die EU »sicherheitspolitisch souveräner« werden müsse. Richtungsstreitigkeiten gibt es noch um die Frage, ob man die damit verbundene verschärfte Militarisierung der europäischen Gesellschaften mehr als eigenständige Anstrengung oder als Beitrag zum gemeinsamen transatlantischen Weltherrschaftsbestreben verkaufen soll. Aber das ist geschenkt. Kriegsgründe wissen die von der Leyens, Borrells usw. auch von sich aus. Mit einem alten Merkspruch gesagt: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Reflexhafter Antiamerikanismus lenkt davon ab.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Hagen Radtke aus Rostock (5. April 2024 um 09:15 Uhr)
    Es gibt kein »Verbot des Gasbezugs aus Russland«. Die EU erhält ja nach wie vor russisches Gas, nur eben als Flüssiggas. Die Gaslieferungen durch die Pipelines wurden durch Russland eingestellt. Durch Nord Stream 1 wurden die Lieferungen im August 2022 endgültig gestoppt, schon einen Monat vor dem Sprengstoffanschlag im September. Durch die völlig intakte Jamal-Pipeline liefert Russland schon seit Mai 2022 nichts mehr. Russland hat die Lieferungen eingestellt, obwohl die europäischen Staaten eine Zahlung in Rubel akzeptiert hatten. Also hier bitte keine falschen Kausalitäten verbreiten, die Sprengstoffanschläge sind, wie man schon an der zeitlichen Abfolge erkennt, nicht der Grund dafür, dass Russland kein Pipelinegas mehr liefert. Wohl eher, dass Russland für das nun als Flüssiggas gelieferte Erdgas höhere Kubikmeterpreise verlangen kann, denn für das Pipelinegas hätten ja alte Verträge mit niedrigen Preisen gegolten. Die erfüllt Russland einfach nicht. Da können die USA wenig dafür.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. April 2024 um 21:46 Uhr)
    Reflexhafter Antiamerikanismus ist zweifellos nicht angebracht. Aber darüber, welche Interessen die Amerikaner in der Ukraine haben, sollte man schon reden, Lithium gehört sicher dazu. Wie steht es denn mit der Landwirtschaft? (»2001 hatte es in der Ukraine ein Moratorium gegen Landkäufe gegeben, dieses aber wurde 2020 auf Drängen der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Entwicklungsbank wieder aufgehoben«, www.fr.de/politik/ausverkauf-im-schatten-des-krieges-92565094.html) Welche Konzerne bewirtschaften die Schwarzerde? Auf jeden Fall sollte man sich dessen bewusst sein, dass es den Amis scheißegal ist, wenn Europa aufhört zu existieren. Daran hat sich seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht geändert: Der Europäer hat seine Arbeit getan, der Europäer kann gehen. Fraglich ist, ob der angestrebte wachsende Konflikt auf Europa begrenzt werden könnte.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Unter diesem Banner sollt ihr siegen. Die NATO wähnt sich als Ve...
    04.04.2024

    Im Kampf gegen Moskau

    75 Jahre nach ihrer Gründung sind die Fronten der NATO wieder die gleichen wie anno 1949
  • Mit Pauken und Trumpeten: Wahlkampf in South Carolina (Conway, 1...
    14.02.2024

    America only

    USA: Trump bestreitet Bündnispflicht. Europäische NATO-Staaten reagieren nervös und fordern Aufrüstung

Regio:

Mehr aus: Ansichten