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Aus: Ausgabe vom 29.05.2024, Seite 2 / Inland
Hochschulpolitik

»Damit hat sich die Leitung entlarvt«

Universität Leipzig hebt Raumzusage für kritische Veranstaltung zur Staatsräson auf. Ein Gespräch mit Dario von der Recke
Interview: Yaro Allisat
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Audimax-Besetzung beendet: Polizisten führen eine junge Frau ab (Leipzig, 7.5.2024)

In einem offenen Brief an die Leitung der Universität Leipzig haben Sie die Aufkündigung von Absprachen zur Raumnutzung für eine Veranstaltungsreihe zu Israel und Palästina kritisiert. Mit welcher Begründung hatte sie diese verwehrt?

Die Uni hat sich vor allem auf die »politische Neutralitätspflicht« berufen. Das halten wir aber für eine mindestens fragwürdige Begründung, weil parallel proisraelische Veranstaltungen des Lobbyvereins Deutsch-Israelische Gesellschaft zu dem Themenkomplex an der Uni stattfinden durften.

Außerdem ist es wichtig festzuhalten, dass lediglich die universitätseigenen Stellen diesem Neutralitätsgebot unterliegen, aber eben nicht alle Veranstaltungen, die an der Uni stattfinden. Die Raumverwaltung beruft sich bei ihrer Absage also auf eine Verpflichtung, die in bezug auf eine von uns organisierte Veranstaltungsreihe gar nicht greift und beschränkt die hart erkämpften demokratischen Rechte der Studierendenschaft.

Gegen welche Inhalte hat sich die Universität mit ihrer Absage ausgesprochen?

Eine Veranstaltung war geplant mit der jüdischen Israelin Iris Hefets, die im Vorstand des Vereins »Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost« ist. Die Universität argumentiert hier selbst keineswegs »politisch neutral«. Damit hat sie sich entlarvt. In dem Vortrag sollte es ironischerweise um die deutsche Staatsräson gehen. Es wird klar: Wenn man sich dieser nicht unterwirft, dann gilt man als Gefahr.

Heißt das, Sie sind nicht einfach nur verärgert über die aufgehobene Zusage für die Veranstaltungen?

Wir halten die politisch motivierten Absagen für gefährliche autoritäre Entwicklungen in Zeiten des Rechtsrucks in Deutschland, gerade auch in Sachsen. Kritische und unabhängige Bildung sind zentrale Elemente unseres Verständnisses von Demokratie. Indem die Uni den politischen Diskurs so einschränkt, verwehrt sie unseren Mitstudierenden Zugang zu kritischer Bildung. Heute verhindert die Uni damit von der Staatsräson abweichende Bildung und Wissenschaft zu Nahost, morgen könnte es andere Themen der Linken treffen. Die Folgen nach der nächsten Landtagswahl, wenn mit 60 Prozent der ­Stimmen für CDU und AfD zu rechnen ist, sind beängstigend.

Nachdem die Universität sofort die Polizei zur Räumung der Hörsaalbesetzung vor zwei Wochen gerufen hatte, anstatt auf Dialog zu setzen, bekannte sie sich im Rahmen der Hochschulrektorenkonferenz sogar jedoch zu kritischer und unabhängiger Bildung. Anscheinend ist die von uns als offizieller Hochschulgruppe organisierte Bildung dann aber zu kritisch? Wenn die Universität mit Verboten anstatt Dialog reagiert, dann wehren wir uns.

Was fordern Sie?

Wir fordern, dass die Uni die Raumabsagen zurücknimmt und in Zukunft ihrer Verantwortung nachkommt, allen Studierenden an der Uni Leipzig die Möglichkeit zu freier, kritischer und unabhängiger Bildung zu geben.

Wie ist die Stimmung an der Uni Leipzig?

Extrem aufgeladen und polarisiert. Vor allem von proisraelischen Stimmen wird immer wieder versucht, über den Studierendenrat Gruppen von der Universität auszuschließen, die sich solidarisch mit Palästina zeigen.

Die Uni selbst gibt nur proisraelischen Veranstaltungsreihen Räume, was einen kritischen Diskurs natürlich unmöglich macht. Im Alltag nehmen wir aber wahr, dass viele unserer Mitstudierenden so wie wir Fragen haben. Sie wollen sich kritisch mit dem Thema Nahost auseinandersetzen und dabei eine eigene Meinung bilden können.

Ein Großteil der Studierendenschaft sieht die Universität als politischen Raum, an dem kritische Positionen besprochen werden sollen, und will den universitären Raum mitgestalten dürfen sowie sich an der Uni auch neben der Lehre bilden können. Die Universitätsleitung verhindert das gerade aber aktiv, indem sie einer kritischen Auseinandersetzung von vornherein jeglichen Raum verwehrt und den Dialog unter Studierenden einseitig einschränkt.

Dario von der Recke ist Student an der Uni Leipzig und aktiv im Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS) Leipzig

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