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Aus: Ausgabe vom 29.05.2024, Seite 6 / Ausland
Iran

Nur beschränkt demokratisch

Iran wählt Nachfolger von verunglücktem Präsidenten Raisi. »Wächterrat« siebt Bewerber aus
Von Knut Mellenthin
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Bereit für die angelaufene Legislaturperiode: Das iranische Parlament in Teheran (27.5.2024)

Im Iran wird am 28. Juni ein Nachfolger für Präsident Ebrahim Raisi gewählt, der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Ab Donnerstag können sich Bewerber für das Amt bei der zentralen Wahlleitung registrieren lassen. Die Frist endet am Montag nächster Woche.

Danach tritt der »Wächterrat« in Aktion, der bei allen Wahlen über die Zulassung zur Kandidatur entscheidet und stets die meisten Bewerber von vornherein zurückweist. Die jeweiligen Ablehnungsbegründungen werden zwar diesen persönlich mitgeteilt, aber nicht veröffentlicht. Das Gremium besteht aus sechs Experten für das islamische Recht, die vom »Revolutionsführer« ernannt werden, und sechs Spezialisten für verschiedene Gebiete des bürgerlichen Rechts, die vom Parlament bestimmt werden. Die Abgeordneten müssen sich bei ihrer Auswahl aber an eine Vorschlagsliste des Obersten Richters halten, der ebenfalls vom »Revolutionsführer« eingesetzt wird.

Von einer Kandidatur werden nicht nur Kritiker des herrschenden Systems ausgeschlossen, sondern immer wieder auch bekannte Politiker, die zum Teil jahrelang wichtige staatliche Funktionen ausgeübt haben oder immer noch im Amt sind. 2021, als Raisi zum Präsidenten gewählt wurde, waren unter den vom »Wächterrat« Disqualifizierten Mahmud Ahmadinedschad (Präsident 2005–2013), Ali Laridschani (Parlamentssprecher 2008–2020), Fereidun Abbassi (Leiter der iranischen Atomenergiebehörde 2011–2013) und Eshagh ­Dschahangiri (Vizepräsident 2013–2021).

Ergebnis war, dass Raisi ohne ernsthaften Gegner antrat und die Wahl schon im ersten Durchgang mit 72,35 Prozent für sich entschied. Der Zweitplazierte, Mohsen Rezai (Oberkommandierender der »Revolutionsgarden« 1980–1997), lag mit 13,81 Prozent weit zurück. Ein Großteil der Öffentlichkeit reagiert auf solche Konstellationen, die nicht einmal den Anschein einer Alternative bieten, mit Desinteresse. Die Beteiligung an der Präsidentenwahl 2021 lag offiziell bei nur 48,48 Prozent – ein vorläufiger Negativrekord in der 1979 gegründeten Islamischen Republik. Bei Präsidentenwahlen, zu denen kontroverse Kandidaten antraten, gab es regelmäßig Beteiligungen über 70 Prozent. Am höchsten war die Wahlbeteiligung mit 85,22 Prozent im Jahr 2009, als Ahmadinedschad gegen den »Reformisten« Mir Hossein Mussawi für eine zweite Amtszeit kandidierte.

Ob der »Wächterrat« zur Wahl am 28. Juni ein breiteres, »repräsentativeres« Spektrum von Kandidaten als 2021 zulassen wird, kann nicht vorausgesagt werden und liegt letztlich im politischen Ermessen des 85jährigen »Revolutionsführers« Ali Khamenei. Seine Entscheidung muss der »Wächterrat« ungefähr zwei Wochen vor dem Wahltermin bekanntgeben. Danach hat Khamenei die Möglichkeit, einzelne Disqualifikationen aufzuheben. Die kurze Zeit, die für den zugelassenen Wahlkampf bleibt, vom 12. bis zum 27. Juni, entspricht den üblichen Regeln im Iran.

Beobachter rechnen mit bis zu 20 Bewerbern, wie die britische Tageszeitung The Guardian am Sonntag berichtete. Zu ihnen gehört mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit Raisis Erster Vizepräsident Mohammad Mokhber, der seit dessen Tod das Präsidentenamt in Vertretung ausübt. Said Dschalili (Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats und Chefunterhändler in den Atomverhandlungen 2007–2013), der schon zweimal, 2013 und 2021, kandidierte, hat seine erneute Bewerbung am Sonntag angekündigt. Als weitere mögliche namhafte Bewerber gelten: Ahmadinedschad, der aber nach seiner Amtszeit als Präsident schon zweimal vom »Wächterrat« disqualifiziert wurde; Alireza Zakani, Bürgermeister von Teheran seit 2021; sowie Mohammad Bagher Ghalibaf, Bürgermeister von Teheran 2005–2017, Sprecher des Parlaments seit 2020. Letzterer hatte 2013 schon einmal für das Präsidentenamt kandidiert und war mit 17,14 Prozent der Stimmen zweiter hinter Hassan Rohani (52,49 Prozent) geworden.

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