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Aus: Ausgabe vom 29.05.2024, Seite 8 / Ausland
El Salvador

»Bukele gibt immer mehr für das Militär aus«

El Salvador: Revolutionäre Organisation gegründet. Soziale Probleme für viele groß. Ein Gespräch mit Xenia Barrera
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
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Ausnahmezustand in El Salvador: Militär bewacht arme Stadtviertel (San Salvador, 24.12.2022)

Ihre Organisation »Revolución Comunista« ist im März erstmals öffentlich aufgetreten, am vergangenen Wochenende war Ihr erster Kongress. Ist das eine unmittelbare Reaktion auf die Krise der linken FMLN, der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí, die nach den vergangenen Wahlen anders als zuvor keinen einzigen Abgeordneten entsendet?

Nein, nicht direkt. Wir haben in der FMLN mitgearbeitet, das ist richtig. Allerdings waren wir schon damals wenig am Parlamentarismus und den Wahlkampagnen der FMLN beteiligt, sondern orientierten auf eine revolutionäre, sozialistische Lösung in der Partei. Als Jugendblock haben wir die FMLN schon 2018 verlassen, nach der schweren Niederlage der FMLN bei den Parlaments- und Kommunalwahlen 2018. Das war das letzte Jahr der Regierung Salvador Sánchez Cerén von der FMLN, 2019 gewann Nayib Bukele die Präsidentschaftswahlen in El Salvador.

Was kritisierten Sie konkret an der FMLN? Dass diese nach dem Ende des bewaffneten Kampfes auf das Parlament orientiert und auch regieren will, war abzusehen.

Nach der Wahl 2018 wurde aber schon deutlich, dass die FMLN kein Interesse hat, diese Niederlage selbstkritisch zu reflektieren. Die Schuld wurde bei allen möglichen externen Faktoren gesucht, aber nicht bei sich selbst. Das haben wir damals in einer ausführlichen Erklärung dargelegt. Wir waren der Meinung, die FMLN muss eine Kehrtwende hinlegen, eine Rückorientierung auf den Klassenkampf und die Arbeiterklasse. Das war aber in der Partei nicht durchzusetzen. Damals hatte die FMLN trotz Niederlage immerhin noch 23 Abgeordnete im Parlament, heute steht sie bei null.

Wie fielen die Reaktionen auf die Pressekonferenz zu Ihrer Neugründung im März aus?

Es waren neun Medien anwesend, darunter einige der meistgelesenen aus El Salvador. Unser Kommuniqué wurde auf X rund 30.000mal angeklickt, an anderer Stelle bis zu 160.000mal. Aus dem Umfeld der Partei Bukeles gab es Diffamierungen aller Art gegen uns bis hin zu der Drohung, uns in Haft zu nehmen.

Sie wollen bis 2025 eine »Revolutionäre Kommunistische Partei« gründen. Welche Rolle soll diese Partei in El Salvador spielen, was ist der Unterschied zur FMLN und warum eine neue Partei, es existiert doch eine kleine Kommunistische Partei?

Die neue Partei soll eine revolutionäre Partei sein, die das System in Frage stellt. Nicht unbedingt eine Wahlpartei.

Welche Probleme gibt es im Land? Es herrscht seit über zwei Jahren ein Ausnahmezustand, Bukele nimmt aber für sich in Anspruch, das Problem der Gewalt der Jugendbanden gelöst zu haben.

Die Gewalt der Banden ist zurückgegangen, das ist richtig, aber nicht unbedingt die Gewalt in Partnerschaften oder die Morde an Frauen. Mittlerweile gab es nach offiziellen Angaben mehr als 250 Todesfälle in den Gefängnissen. Es gibt gravierende Probleme in Gesundheit und Bildung, auch weil Bukele immer mehr für das Militär ausgibt, und immer weniger Investitionen in Forschung und Stipendien.

Seit der Pandemie findet bis heute der Unterricht an der einzigen öffentlichen Universität in San Salvador fast nur noch online statt, statt dessen nutzt die Regierung den Campus als Hotel, unter anderem für die Wahl zur Miss Universum. Aus dem historischen Stadtzentrum San Salvadors werden Straßenverkäufer vertrieben, diese Menschen haben aber keine anderen Verdienstmöglichkeiten. Die Preise sind enorm gestiegen, für Arbeiter ist es unmöglich, die Familie angemessen zu ernähren. Die Projekte des Massentourismus führen zu Umweltproblemen und Vertreibungen der Bevölkerung. Aktuelles Projekt ist ein Cancún El Salvador, ein riesiges Touristenzentrum wie auf der Halbinsel Cancún in Mexiko. Nach Umfragen haben viele Menschen Angst, ihre Meinung zu äußern, die Regierung zu kritisieren. Im Kontext des Ausnahmezustandes kann man als angebliches Bandenmitglied schnell in Haft landen.

Xenia Barrera ist Aktivistin in der Organisation Revolución Comunista in El Salvador

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