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Aus: Ausgabe vom 31.05.2024, Seite 4 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

Polizeigewalt gemäß Staatsräson

Berlin: Pressekonferenz nach brutaler Räumung von Unibesetzung. Jugendlicher von Beamten geschlagen
Von Annuschka Eckhardt
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Protest gegen die Räumung des Jabalia-Instituts an der Humboldt-Universität (Berlin, 23.5.2024)

Mittlerweile Alltag auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln: Polizeigewalt. Auf dem Video, das am Dienstag abend viral ging, wird ein Jugendlicher von mehreren Polizisten in einen Hauseingang neben der Grillhähnchenkette »Risa« gedrängt, ein Beamter schlägt dem Jungen ins Gesicht, die anderen treten auf ihn ein. »Grundsätzlich gilt, das die Polizei Berlin zur Durchsetzung öffentlicher Gewalt, zur Anwendung von Zwang in Form von körperlicher Gewalt, je nach Situation und Einzelfall, berechtigt ist«, antwortete die Pressestelle der Berliner Polizei am Donnerstag auf jW-Anfrage. Die »Intensität der Eingriffstechnik« orientiere sich immer am »Grad des Widerstandes« sowie an der »Gesamtdynamik der vorliegenden Situation«. Es seien »entsprechende Strafermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt aufgenommen« worden.

»Diese Polizeigewalt wird durch das Handeln der Politik noch mal legitimiert und befeuert«, kritisierte Ferat Koçak, Sprecher für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus, am Donnerstag im Gespräch mit jW. Beamte könnten sich sicher sein, »wenn sie auf Protestierende einprügeln«, dass sie »egal was sie machen den Schutz der Staatsräson« genießen.

»Während in Rafah Kinder bei lebendigem Leibe verbrennen, scheint der Fokus deutscher Medien auf roter Farbe an Uniwänden zu liegen«, sagte die Studierende Ophelia Funk des Jabalia-Instituts der Humboldt-Universität (HU) zur Eröffnung einer Pressekonferenz der »Student Coalition Berlin« am Donnerstag. Es ging um die brutale Räumung am 23. Mai. Während dieser wurden »fast ausschließlich Schmerzgriffe angewendet«, erklärten Mediziner und Sanitäter, die während der Räumung vor Ort waren. »Unsere Kolleginnen wurden für mehr als zwei Stunden von der Polizei festgehalten. So blieben die Protestierenden ohne ihr Recht auf medizinische Versorgung.«

»Wir werden keinesfalls zulassen, dass in unseren Räumen Antisemitismus, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung oder irgendeine Form von Gewalt Platz finden, und treten dem mit aller Entschlossenheit entgegen«, teilte das Institut für Sozialwissenschaften zur Besetzung mit. An den Wänden stünden Sprüche wie »Free Gaza« oder »Germany didn’t you learn anything from your history?« (Deutschland, hast Du nichts aus Deiner Geschichte gelernt?). Die Universität ermöglichte Fotografen am Mittwoch zum ersten Mal nach der Besetzung Zugang zu dem Gebäude, wie dpa am Donnerstag berichtete. »In den Schmierereien kommt ein schockierender Antisemitismus und die Verharmlosung von Gewalt zum Ausdruck. Dies verurteilen wir aufs schärfste«, sagte HU-Präsidentin Julia von Blumenthal der dpa.

Die Universität will wegen der Sachschäden einen Strafantrag stellen und erstattet Strafanzeige wegen der Verwendung von Kennzeichen einer verbotenen Organisation. Dazu zählen demnach auch Graffiti wie das eines roten Dreiecks. Darüber hinaus werde die HU Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gegen Personen stellen, die das Institut nicht freiwillig verlassen hätten. Benjamin Düsberg, der als Anwalt vor Ort war, um die Besetzenden juristisch zu beraten, beschrieb vor Journalisten am Donnerstag die Räumung des Jabalia-Instituts. »Das Selbstverwaltungsrecht der Universität wurde ausgehebelt, die Präsidentin vermochte – oder wollte – dieses nicht verteidigen.« Im Laufe des Einsatzes sei auch er wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs von der Polizei festgenommen worden.

Udi Raz, Vorstandsmitglied des Vereins »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, sagte, dass drei Journalisten auf dem Panel hätten sitzen sollen, die während der Räumung vor Ort waren. Doch sie hätten kurzfristig abgesagt, da sie dem Druck ihrer Verlage nicht hätten standhalten können. »Nun liegt die Aufgabe der Dokumentation und Verbreitung bei uns Studierenden«, sagte Raz. »Wir fordern eine unabhängige Untersuchung der Polizeieinsätze an der ›Freien Universität‹ und des Jabalia-Instituts«, erklärte eine palästinensische Studentin schließlich. »Deutsche Universitäten bringen ihre Studierenden zum Schweigen!«

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  • Leserbrief von Silke aus Hamburg (31. Mai 2024 um 14:59 Uhr)
    Danke für den Artikel – auch ich bin entsetzt über die Einschränkung der Meinungsfreiheit und über Polizeigewalt sowie über den wirklich zu weit gegriffenen Antisemitismusbegriff, wie er heutzutage als politisches Totschlagargument genutzt wird. Allerdings: Ihr kennt Euch doch SONST immer so gut aus: Warum verschweigt ihr, dass das genannte »rote Dreieck« ein Symbol der Hamas für ihre Angriffsziele sein soll? Oder habe ich da etwas falsch verstanden? SOLLTE dieses Zeichen tatsächlich von einzelnen Demonstrierenden an die Wände gemalt worden sein, finde ich das VOLLKOMMEN inakzeptabel von diesen Personen. DAS geht einfach zu weit!

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