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Aus: Ausgabe vom 31.05.2024, Seite 8 / Inland
Krieg und Frieden

»Emmanuel Macron ist kein Friedensgarant«

Münster: Friedenspreisverleihung an französischen Präsidenten blieb nicht ohne Widerspruch. Ein Gespräch mit Hugo Elkemann
Interview: Gitta Düperthal

Die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe verlieh am Dienstag den Westfälischen Friedenpreis an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die Friedenskooperative in Münster protestierte gemeinsam mit anderen Organisationen: Macron sei kein Friedens-, sondern ein Brandstifter. Inwiefern?

Nur Verhandeln kann Kriege beenden, nicht das Schießen. Das ist die Lehre aus dem Westfälischen Frieden, der 1648 den 30jährigen Krieg beendete. Zuvor hatten die Menschen in Europa jahrzehntelang Kriegsgreuel erleben müssen. Mit dem Westfälischen Frieden gingen die Anfänge des Völkerrechts einher. Mit Macron aber wird ein Politiker geehrt, der den Ukraine-Krieg aktuell mit der Debatte um das Entsenden von NATO-Bodentruppen anheizt, die Militarisierung Europas forciert und eine Eskalation bis zum Atomkrieg in Kauf nimmt. Was um so bedrohlicher ist, da Frankreich Atommacht ist. Er spitzt den Krieg in der Ukraine zu und gefährdet den Weltfrieden.

Was war bei der Kundgebung in Münster los?

Wir konnten gemeinsam mit der Anti-AKW-Bewegung, Klimabewegung, Pax Christi, IPPNW und anderen Initiativen verdeutlichen: Macron ist kein würdiger Vertreter des Preises des Westfälischen Friedens. Ein Vertreter der afrikanischen Community schilderte den Entkolonialisierungsprozess in Afrika. Er wies darauf hin, dass Frankreich nicht nur ehemals als Kolonialmacht aktiv war, sondern heute noch neokolonial wirkt, um das alte System aufrechtzuerhalten. Das folgenschwere Scheitern der Kolonialherren mit Unruhen, ob in Mali oder im Tschad, war vorhersehbar.

Gerade war der Einsatz französischer Truppen auf Neukaledonien im Südpazifik in den Schlagzeilen. Auch keine Friedensmission, oder?

Frankreich versucht den Prozess der Entkolonialisierung zu verlangsamen, die indigene Bevölkerung dort ihrer Rechte zu berauben. Es ist der Versuch, die Ureinwohner mit Hilfe später angesiedelter französischer Bewohner an den Rand zu drücken. Nicht nur neokoloniale Politik spielt dabei eine Rolle: Die südpazifischen Gewässer rund um die Inselgruppe sind in einer forcierten Auseinandersetzung der USA in Richtung China von Bedeutung. Die USA versuchen, ein Militärbündnis im südpazifischen Raum zu etablieren.

Frankreich ist die einzige Atommacht innerhalb der EU. Macron will den französischen »Nuklearschirm« als sogenannte Sicherheitsgarantie inszenieren. Wie ist das zu werten?

Tobias Pflüger, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung, kommentierte in Münster: Die französischen Atomwaffen, verharmlosend als »Schirm« dargestellt, sind keine Parlamentswaffe, sondern beim französischen Präsidenten angesiedelt. Die Vorstellung, diese Waffe von der EU als Abschreckung zu nutzen, ist absurd. Voraussetzungen für eine europäische Atomwaffe werden allerdings mit Brennelementen in Gronau und Lingen vorbereitet.

In der Kritik ist, dass Framatome, Tochter des französischen Staatskonzerns EDF, aktuell mit der russischen Behörde Rosatom eine Zusammenarbeit beim Neubau einer Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen plant.

Als Friedensbewegung müssen wir mit der französischen Anti-AKW-Bewegung kooperieren. Während viele Sanktionen gegen Russland erlassen werden, ist dies ausgerechnet in diesem gefährlichen Bereich nicht der Fall. Zivile und militärische Nutzung sind bei der Atomenergie eng verzahnt.

Frankreich hat 204 Atomwaffentests auf dem Territorium ehemaliger Kolonien durchgeführt. Darüber wird nur sehr selten gesprochen.

Genau. Und das ist keine rein moralische Frage. Die gesundheitlichen Folgen durch radioaktive Kontaminierung sind für die unmittelbar Betroffenen drastisch. Es gilt, sie zu entschädigen. Frankreich ist vor Gewalteinsatz zur Wahrung geopolitischer Interessen nie zurückgewichen. Wir fordern Macron auf, sich gemeinsam mit den anderen vier Atommächten im Sicherheitsrat auf eine »No first use«-Regel zu verpflichten, die den Ersteinsatz von Atomwaffen verbietet. Emmanuel Macron ist kein Friedensgarant. Den Preis hat er nicht verdient.

Hugo Elkemann ist Gründungsmitglied der Friedenskooperative in Münster

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