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Aus: Ausgabe vom 31.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Geschichtsvergessener des Tages: Narendra Modi

Von Jörg Tiedjen
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Wirbt gerade mit abstrusen Behauptungen und rassistischer Hetze um ein drittes Mandat: Der indische Premierminister Narendra Modi (Ahmedabad, 7.5.2024)

Das war eine steile These, mit der Indiens Premierminister Narendra Modi am Dienstag aufwartete. Gegenüber dem Sender ABP News behauptete er, dass Mahatma Gandhi im Rest der Welt unbekannt geblieben sei – bis der britische Regisseur David Attenborough Anfang der 1980er Jahre einen Hollywoodfilm über ihn drehte. Dabei hätte die Aufgabe Indiens darin bestanden, herauszustellen, dass Gandhi dem US-Bürgerrechtler Martin Luther King jr. und Südafrikas Nelson Mandela in nichts nachstand, meinte Regierungschef Modi. Auch deswegen, weil Gandhis Philosophie heute zur »Lösung vieler globaler Probleme« beitragen könne.

Wie das? War King nicht sogar aus Bewunderung für sein großes Vorbild Gandhi nach Indien gepilgert? Um in der nicht weit von Modis Geburtsort Vadnagar entfernten Stadt Ahmedabad in Gujarat den historischen Gandhi-Aschram aufzusuchen, seit langem ein Museum, in dem sich Besucher nicht zuletzt der internationalen Ausstrahlung des Mahatma (zu deutsch: der großen Seele) vergewissern können? Ist Modi, obwohl einst Chefminister des Bundesstaats, nie dort gewesen?

Inmitten der laufenden Wahlen lieferte Modis geschichtsvergessene Äußerung der Opposition neue Munition. Rahul Gandhi, der nur zufällig denselben Nachnamen trägt wie sein berühmter Vorgänger an der Spitze der Kongresspartei (INC), baute sich vor dem Denkmal in Indiens Hauptstadt Delhi auf, das an Gandhis »Salzmarsch« erinnert. Dort sprach er in die Kamera, dass Menschen wie Modi, die zu Kadern der extrem rechten »Nationalen Freiwilligenorganisation« (RSS) ausgebildet wurden, »Gandhi nicht verstehen können« – aber sie könnten Nathuram Godse verstehen, der kurz nach der Unabhängigkeit einen tödlichen Anschlag auf Gandhi verübte und ebenfalls aus dem RSS stammte, von dem Modis Indische Volkspartei (BJP) der parlamentarische Ableger ist.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. Mai 2024 um 21:05 Uhr)
    Mahatma Gandhis Idealismus hat die Welt nachhaltig beeinflusst und bleibt ein unverzichtbarer Teil des kollektiven historischen Gedächtnisses. Gandhis Prinzipien der Gewaltlosigkeit und der zivilen Ungehorsamkeit haben Bewegungen auf der ganzen Welt inspiriert und tun dies weiterhin. Modis Versäumnis, die historische Bedeutung Gandhis anzuerkennen, ist nicht nur eine Missachtung der indischen Tradition, sondern auch eine Verfehlung gegenüber den Idealen, die viele Inder – und Menschen weltweit – weiterhin hochhalten. Der Versuch, Gandhis Einfluss herunterzuspielen, scheint ein taktischer Zug im politischen Spiel zu sein, der jedoch auf langer Sicht dem Ansehen des Landes schaden könnte. Indien und seine Führung sollten stolz auf ihre historischen Persönlichkeiten sein und deren Vermächtnis ehren, anstatt es für kurzfristige politische Vorteile zu verzerren. Modi mag ein pragmatischer Politiker sein, aber Pragmatismus darf nicht zur Geschichtsvergessenheit führen. Denn das, was Mahatma Gandhi erreicht hat, übersteigt den bloßen Erfolg in der Politik – es umfasst eine Vision von Frieden und Gerechtigkeit, die auch heute noch relevant und inspirierend ist. Indien verdient eine Führung, die seine Geschichte respektiert und die Lektionen daraus in die Gegenwart und Zukunft trägt. Denn nur durch das Verständnis und die Wertschätzung unserer Vergangenheit können wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern.

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