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Aus: Ausgabe vom 01.06.2024, Seite 6 / Ausland
Ostasien

Invasion der Luftballons

Koreanische Halbinsel: Pjöngjang revanchiert sich für Propagandaaktion aus dem Süden
Von Martin Weiser, Seoul
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Dünger auf dem Luftweg: Wohl aus Nordkorea stammender Ballon über einem Reisfeld im Süden (Cheorwon, 29.5.2024)

Am Dienstag bekamen viele Südkoreaner spätabends einen Notalarm auf ihr Handy: »Unidentifizierte Objekte aus dem Norden gesichtet, vermutlich Flugblätter. Aufenthalte draußen vermeiden und bei Sichtkontakt Militär kontaktieren.« Für Ausländer folgten noch die englischen Worte »Air raid preliminary warning« – Luftangriffswarnung. Obwohl es nur geschätzte 260 große Ballons waren, die Tüten transportierten, rückten vielerorts Bombenentschärfer und Chemieabwehr aus. Die internationale Presse sprach von Fäkalienballons. Südkorea analysiert allerdings noch, ob es sich vielleicht doch nur um gut gedüngte Erde mit Haushaltsmüll und Papierschnipseln handelt.

Die Luftpost hatte die Demokratische Volksrepublik im Norden als Antwort auf vorhergehende Ballonaktionen aus dem Süden wenige Tage zuvor angekündigt. Im Juni 2020 hatte Pjöngjang noch damit gedroht, Millionen Flugblätter mit Tausenden Ballons gen Süden zu schicken, sollte Seoul nicht rechtlich gegen Aktivisten vorgehen, die auf diese Weise Propaganda- und anderes Material in den Norden senden. Tatsächlich wurden die Gesetze entsprechend geändert, was aber vergangenen September vom südkoreanischen Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde. Am 10. Mai hatten die Aktivisten im Süden anscheinend wieder genug Geld gesammelt für den nächsten Versuch. 20 Ballons trugen 300.000 Flugblätter und Tausende USB-Sticks in den Norden.

Kim Yo Jong, Vizedirektorin der Informationsabteilung des ZK der Arbeiterpartei, unterstrich am Mittwoch die Lektion für den Süden. Man mache nichts anderes als der Süden selbst, der jetzt mal den Aufwand sehe, diesen Dreck wieder aufzuräumen. Warum man aber nicht, wie 2020 angedroht, Flugblätter statt Müll verschickte, erklärte sie nicht, auch wenn sie davon sprach, dass das Verschicken von Propaganda von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Südkoreanische Reporter fuhren im Land herum, um sich den Müll einmal genauer anzuschauen und Augenzeugen zu befragen. Der Fernsehsender SBS zeigte eine Frau, die sich über den Gestank der Luftfracht beschwerte, der eigene Dünger rieche nicht so streng.

Eher ungewollt betonten die Medien auch, wie gefährlich diese Propagandaballons sein können. Eigentlich sollten sich die Tüten unter den Ballons in großer Höhe öffnen. Wenn das aber nicht passiert, rauschen kiloschwere Pakete Richtung Boden. 2016 wurde von der Fracht eines nordkoreanischen Ballons etwa ein Autodach durchschlagen, diesmal hörte man bisher nur von einem zerstörten Gewächshaus.

Staatlicher Handyalarm und Militäreinsätze hatten bei manchen Südkoreanern Panik ausgelöst. Eine Frau, die von Reuters interviewt wurde, zeigte sich erleichtert, dass der Norden nur Müll und keine biologischen oder chemischen Kampfstoffe in den Süden geschickt hatte. Etwas verklausuliert hatte bereits der nordkoreanische Vizeminister darauf hingewiesen, dass Propagandaballons für »spezifische militärische Ziele« eingesetzt werden könnten – allerdings als Vorwurf an den Süden. Mangels Friedensvertrags auf der koreanischen Halbinsel kann letztlich keine Seite ausschließen, dass zu solchen Waffen gegriffen wird.

Seit Beginn der Coronakrise bittet der Norden darum, die Ballonroute für das Virus zu schließen. Auch wenn es sich höchstwahrscheinlich nicht über Flugblätter verbreitet, gibt es keine Garantie, dass Aktivisten im Süden nicht gezielt das Virus mit anderen Materialien über die Grenze bringen. Pjöngjang macht diese Aktivisten auch für den Ausbruch der Pandemie im eigenen Land im April 2022 verantwortlich. Eigene Untersuchungen hätten ergeben, dass es zu den ersten Fällen gekommen sei, nachdem in einer Grenzregion zwei Personen »ausländische Dinge« angefasst hätten, die in den Bergen gelandet waren.

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