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Aus: Ausgabe vom 01.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Staatseinnahmen

Abschied von der »Flatrate«

Moskau braucht Geld und plant Steuerreform. Russland soll trotzdem Steueroase für Besserverdiener bleiben
Von Klaus Fischer
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Wegelagerer: Allein in Belgien wurden der Bank Rossija 300 Milliarden Dollar entzogen

Die Russische Föderation steht vor einer Steuerreform. Bereits im März hatte Präsident Wladimir Putin diesen Schritt angekündigt. Zuletzt legte das Finanzministerium Eckdaten dazu vor. In der Öffentlichkeit des Landes wird das offenbar ausgiebig diskutiert – nicht zuletzt deshalb, weil es alle betrifft. Bislang sind noch wenige Details bekannt. Geplant ist offenbar, das fiskalische System auf eine Art Progressionsmodell umzustellen – also eine automatisch greifende Staffelung der Steuersätze bei steigenden zu versteuernden Einkommen – wie es beispielsweise auch in Deutschland existiert.

Der Schritt kommt nicht unerwartet. Denn jeder Staat braucht Geld. Und Steuereinnahmen sind die Hauptquelle. Im Falle Russlands kommt hinzu, dass Kriege teuer sind. Dabei sind es nicht einmal die rein militärischen Ausgaben, die der Staat stemmen muss, sondern es sind vor allem die Auswirkungen des Wirtschaftskrieges, der von den USA, der EU und deren Satellitenstaaten gegen das Land geführt wird.

Steuerreform bedeutet zumeist Steuererhöhung. Das wird auch in diesem Falle zutreffen. Allerdings ist Russland eine Art finanzpolitisches Phänomen. Gemessen am internationalen Durchschnitt, werden Steuerpflichtige dort bislang deutlich weniger geschröpft als beispielsweise in der BRD. Andererseits enthält das aktuelle System noch eine Reihe von Vergünstigungen, die an den ehemaligen Oligarchenstaat der Jelzin-Ära erinnern.

Seit 2001 zahlen die meisten Bürger lediglich 13 Prozent Einkommenssteuer (in Deutschland beginnt man bei 14 Prozent und endet bei 45 Prozent). Es gibt zwar weitere Sätze, doch die »Flatrate« sorgt dafür, dass Privatpersonen (im Gegensatz zu juristischen Personen) nicht allzu stark gerupft werden. Wenn allerdings Reiche dem selben Steuersatz unterliegen wie die Einkommensschwachen, ist das ein soziales – und fiskalisches – Problem. Künftig soll es zwar weiter bei 13 Prozent beginnen, für den Hauptteil der Steuerpflichtigen werden allerdings 15 Prozent fällig. Das betrifft Einkommen zwischen 2,5 Millionen Rubel (etwa 27.700 Euro) und fünf Millionen Rubel (51.400 Euro) pro Jahr.

Einkommenssteuersätze sagen nicht allzu viel über die tatsächliche Steuer- und Abgabenlast aus. Deshalb müssen weitere Steuerarten betrachtet werden. Zudem gilt es, Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten zu beachten, ebenso die Berechnung der Bemessungsgrundlage des zu versteuernden Einkommens. Auch die Frage, was steuerbar bzw. steuerpflichtig ist, und was nicht, spielt eine Rolle. Und nicht zuletzt stellen Kaufkraft der Währung und Durchschnitts- bzw. Medianeinkommen wichtige Faktoren dar. Angemerkt sei: Sozialabgaben – die in der BRD einen hohen Einfluss auf die Verringerung des verfügbaren Einkommens haben – spielen in Russland aus sozialpolitischer Sicht eine geringere Rolle. Sie werden ausschließlich vom »Arbeitgeber« getragen (was einen dämpfenden Einfluss auf das Lohnniveau haben dürfte).

Weniger sozial ist der aktuelle Umsatzsteuersatz (Mehrwertsteuer). Dieser liegt bei 20 Prozent. Bestimmte Waren und Leistungen schlagen »nur« mit zehn Prozent zu Buche. Aus sozialpolitischer Sicht ist diese Steuer bekanntlich problematisch, da sie Geringverdiener besonders hart trifft. Aktuell ist anscheinend noch offen, ob diese unangetastet bleibt.

Für »Besserverdiener« ist Russland indes eine Steueroase – und soll es wohl künftig auch bleiben. So werden Dividenden bislang nur gering versteuert und auch künftig sollen lediglich 15 Prozent fällig werden (in Deutschland gilt schon die automatisch abzuführende Kapitalertragssteuer von 25 Prozent als extrem niedrig). Allerdings schafft das Anreize für die mittleren Einkommensschichten, in Aktien zu investieren – und die Kapitalbasis der heimischen Unternehmen zu stärken.

Apropos Steueroase: Diese Entdeckung machten im vergangenen Jahr auch die EU-Finanzminister auf der Suche nach weiteren Sanktionen gegen das Land. Prompt setzten die Schatzmeister »Europas« die Russische Föderation auf ihre schwarze Liste.

In einer der wichtigsten Listen des Internationalen Währungsfonds (IWF) indes liegt Russland lediglich auf Platz 175. Angeführt wird diese von Japan und Griechenland: Beide sind die am höchsten verschuldeten Länder (Staatsverschuldung in Prozent des BIP) der Erde. In Moskau hat man verständlicherweise kein Interesse, sich dort nach oben zu arbeiten, denn mit einer Staatsschuldenquote von knapp über 20 Prozent des BIP konnte das Land bisher ganz gut leben.

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