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Aus: Ausgabe vom 01.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

Handelskrieg gefährdet Verkehrswende

Studie: EU-Zölle auf chinesische E-Autos würden Preise in die Höhe treiben und Wirtschaft schaden
Von Raphaël Schmeller
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Bei einer Verdoppelung der Strafzölle von derzeit zehn auf 20 Prozent würde die Zahl der aus der Volksrepublik importierten E-Autos um voraussichtlich 25 Prozent einbrechen

Viele Politiker schreiben dem Elektroauto eine Schlüsselrolle bei der Verkehrswende zu. Dabei darf bezweifelt werden, ob ihr Festhalten am Individualverkehr sinnvoll ist. Fest steht allerdings, dass ihr Politikansatz nur zum Tragen kommt, wenn die klimafreundlicheren Elektroautos für die breite Masse erschwinglich werden. Genau das aber würden EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China verhindern, wie sie Brüssel derzeit nach dem Vorbild der USA plant.

Bei einer Verdoppelung der Strafzölle von derzeit zehn auf 20 Prozent würde die Zahl der aus der Volksrepublik importierten E-Autos um voraussichtlich 25 Prozent einbrechen, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Studie des kapitalnahen Kieler Wirtschaftsforschungsinstituts IfW. Umgerechnet auf die knapp 500.000 Fahrzeuge, die im vergangenen Jahr in die EU importiert wurden, entspreche dies rund 125.000 Einheiten im Wert von knapp vier Milliarden US-Dollar. Der Rückgang könne wohl zu einem großen Teil durch eine steigende Produktion innerhalb der EU und geringere Exporte von Elektroautos ausgeglichen werden, heißt es in der Studie. Für die Endverbraucher bedeute dies allerdings »deutlich höhere Preise«.

Nach den IfW-Berechnungen dürfte der Absatz von E-Autos aus heimischer Produktion auf dem EU-Binnenmarkt in fast gleichem Umfang steigen – um 3,3 Milliarden Euro. Nur ein Teil dieses Zuwachses würde durch eine höhere Produktion innerhalb der EU gedeckt. Ursprünglich für den Export produzierte Fahrzeuge im Wert von rund einer Milliarde Dollar dürften nicht ausgeführt, sondern auf den heimischen Markt umgelenkt werden. Eine Gegenreaktion Chinas ist in den Berechnungen nicht enthalten, aber zu erwarten.

»Für die Verbraucher dürfte dies im Ergebnis höhere Preise für Elektroautos bedeuten, weil die Produktion innerhalb der EU deutlich teurer ist als in China, aufgrund von höheren Energie- und Materialpreisen und vor allem deutlich höherer Lohnkosten«, betonte IfW-Handelsforscher Julian Hinz. »Dass europäische Autohersteller die Lücke füllen, ist dagegen keinesfalls ausgemacht, es könnten auch chinesische Hersteller wie BYD mit neuen Werken in Europa die Nachfrage vor Ort bedienen.«

Führt China weniger E-Autos aus, sinkt der Studie zufolge auch die Nachfrage nach Vorleistungen für die Produktion aus der EU. Exporte nach China im Bereich »Autos und Autoteile« dürften in Folge der Zölle um 0,6 Prozent oder 237 Millionen Dollar nachgeben. Insgesamt würden EU-Exporte nach China um mehr als 600 Millionen Dollar zurückgehen, auch ohne eigene Zollmaßnahmen Beijings gegen die EU.

»Angesichts der chinesischen Subventionspraxis ist es richtig, dass sich die EU-Kommission Strafzölle als Antwort darauf vorbehält«, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick dennoch. »Wichtig ist dabei, dass die Autorität der Kommission nicht von einzelnen Mitgliedsländern aufgrund von Partikularinteressen untergraben wird, denn eine gespaltene EU ist eine schwache EU.« Besonders die Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnen Strafzölle wegen der befürchteten Auswirkungen für deutsche Hersteller bislang ab. Frankreich hingegen, dessen Autobauer kaum in China vertreten sind, tritt für eine härtere Gangart gegenüber Beijing ein.

Die EU-Kommission entscheidet voraussichtlich Mitte Juni, ob sie Anti-China-Zölle auf E-Autos verhängt und damit den USA folgt. Dort sollen die Strafzölle ab August auf bis zu 100 Prozent steigen. Washington begründet die Verschärfung des Handelskrieges damit, dass China seinen Herstellern durch hohe Subventionen einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. Juni 2024 um 16:18 Uhr)
    Man sollte die Frage stellen, welche Verkehrswende gefährdet wird: die sinnvolle oder die sinnlose? Die sinnvolle findet nicht statt, also kann es nur die sinnlose sein. Sinnvoll wäre: Öffentliche Verkehre fördern (Bahn, Bus, Fahrrad, flexible regionale Kleinangebote, Mitfahrzentralen, …). Da geschieht so gut wie nichts. Die Verlagerung des Individualverkehrs vom Verbrenner zum Batterieverbraucher ist so illusorisch wie hirnverbrannt. Allerdings dürften die Chinesen relativ schnell zur Stelle sein und entsprechende Verkehrsmittel anbieten. Man sehe sich z.B. deren Aktivitäten bezüglich Hoch- / Höchstgeschwindigkeitszügen an. Mit denen will man Flugzeuge ersetzen. Die Debatte über Rüstungskonversion war gestern (heute wäre sie noch dringender), eine Konversionsdebatte zur KFZ-Industrie gibt es vielleicht im kleinsten Kreis (dem die jW scheinbar nicht angehört).

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