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Aus: Ausgabe vom 04.06.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
EU-Parlament

Es muss demokratisch aussehen

EU-Parlament: Gesetze nur durch Kommission und lange Verhandlungen im Trilogverfahren
Von Jörg Kronauer
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Das Gebäude des EU-Parlaments in Strasbourg

Selbstherrlichkeit und Machtlosigkeit gehen im EU-Parlament in bezeichnender Eintracht miteinander einher. Ein treffendes Beispiel für den Anspruch der Abgeordneten, quasi als moralische Instanz der Welt zu fungieren, bietet etwa der Sacharow-Preis, den das Parlament jährlich verleiht – und zwar an Personen oder Organisationen außerhalb der EU, die sich laut Auffassung der Abgeordneten für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen. Die Auswahl der Preisträger spricht für sich: In den vergangenen Jahren wurden etwa russische Regierungsgegner, die »demokratische Opposition« in Venezuela oder in Belarus und, 2022, die ukrainische Bevölkerung ausgezeichnet. Das EU-Parlament verabschiedet regelmäßig Resolutionen, in denen es den Ländern der Welt Noten in Sachen Menschenrechte und Demokratie erteilt und Konsequenzen fordert.

Mit den demokratischen Kompetenzen des Europaparlaments selbst ist es freilich nicht ganz so weit her. Das fängt schon damit an, dass das Parlament die Leitung der Exekutive – die Kommissionspräsidentin also – nicht frei bestimmen kann. Das Vorschlagsrecht liegt bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, die eine ihnen genehme Person auskungeln; das Parlament kann sie allenfalls ablehnen, muss dann aber einen der nächsten Vorschläge schlucken.

Auch beim Gesetzgebungsverfahren ist das EU-Parlament nicht souverän. So kann es etwa keine Gesetzesvorhaben eigenständig einbringen; dies darf alleine die EU-Kommission tun. Zwar kann das Parlament die Kommission mit einer Resolution bitten, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen; hat diese aber kein Interesse daran, dann sind den Abgeordneten die Hände gebunden. Sogar im Gesetzgebungsverfahren selbst bleiben die Rechte des EU-Parlaments hinter den üblichen bürgerlich-demokratischen Gepflogenheiten zurück. So muss es die Gesetze mit dem Rat der EU, in dem die Mitgliedstaaten organisiert sind, abstimmen. Kommt es zu keiner Einigung, kann es theoretisch den Rat überstimmen. Doch ist die dazu erforderliche Geschlossenheit im Parlament wegen dessen Zersplitterung nicht nur entlang parteipolitischer, sondern auch nationalstaatlicher Interessen kaum möglich.

Daher greifen Parlament, Rat und Kommission sehr oft zum »Trilog«: zu langwierigen Verhandlungen, in denen sich Delegierte auf einen Kompromiss einigen. Doch auch das ist im Parlamentsalltag noch nicht alles. Nachdem sich etwa alle Beteiligten im Trilogverfahren zum unlängst verabschiedeten KI-Gesetz auf einen Kompromiss geeinigt hatten – mündlich, wie Teilnehmer berichteten –, erstellte die spanische Ratspräsidentschaft die endgültige Version. Sie wurde vom EU-Rat abgenickt und dann, faktisch nicht mehr veränderbar, dem Parlament vorgelegt. Man habe den mündlich erzielten Kompromiss darin nicht mehr wiedererkannt, klagten Abgeordnete. Für Korrekturen aber war es zu spät.

Nicht anders verhält es sich mit dem Haushaltsrecht, das in bürgerlichen Demokratien gern als »Königsrecht« des Parlaments gepriesen wird: Das EU-Parlament muss auch den Etat mit dem Rat der EU abstimmen. Zwar hat es – wie bei der gewöhnlichen Gesetzgebung – in der Theorie das letzte Wort. In der Praxis allerdings zieht es gegenüber den Mitgliedstaaten verlässlich den kürzeren. Durchsetzungsfähig ist es, nebenbei, auch nicht mit den hehren Resolutionen, mit denen die Abgeordneten den Rest der Welt so gern Mores lehren: Sie sind üblicherweise meinungs- und moralstark formuliert; bindend sind sie für niemanden. Das Parlament kläfft, es beißt aber nicht.

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