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Weiße Nächte

Von Helmut Höge
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1982 hatte Joseph Beuys anlässlich der siebten Kassler Documenta 7.000 Eichen und 7.000 Basaltstelen gepflanzt. Man sah darin eine lokale Begrünungsaktion, denn Beuys sprach von »Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung«. Sie zielte aber aufs große Ganze. Der Anthroposoph Beuys war ein Weltretter bzw. -verbesserer.

Zu seinem 100. Geburtstag 2021 fanden an vielen westdeutschen Orten Beuys-Feiern statt, die wahren Erben der Beuysschen Eichen-Basaltstelen-»Pflanzaktion« in weltrettender Absicht sitzen jedoch in angloamerikanischen Laboren. Sie nennen sich »Geoengineers«, es geht ihnen darum, das Klima erwärmende CO2 zu reduzieren. Zum einen drängen sie darauf, anderthalb Milliarden »Eichen« zu pflanzen, die CO2 aufnehmen. Und zum anderen auf Nutzung von Basaltbergwerken, die abgesaugten Stickstoff aufnehmen und durch Versteinerung binden sollen.

Schon gibt es auf Island und in der Schweiz solche Anlagen, die zum Teil mit dem in der Luft gesammelten Stickstoff Gemüsegewächshäuser betreiben. In Deutschland machte das die Stickstoff produzierende Chemiefabrik SKW vor. Anlässlich des 500. Jahrestags des Anschlags der 95 Thesen durch Martin Luther an die Tür der Schloßkirche in Wittenberg präsentierte das im Wittenberger Ortsteil Piesteritz ansässige Stickstoffwerk 2017 eine »Luther-Tomate«, die es in den Werksgewächshäusern mit Stickstoff aufzieht.

Die für den New Yorker arbeitende Journalistin Elizabeth Kolbert hat diese Geoengineers für ihr 2021 auf Deutsch erschienenes Buch »Wir Klimawandler. Wie der Mensch die Natur der Zukunft erschafft« besucht – und auch gleich die Schwachstellen ihrer Weltrettungsprojekte benannt. In ihrem Buch geht es »um Menschen, die Probleme zu lösen versuchen, die Menschen beim Versuch, Probleme zu lösen, geschaffen haben«.

Der »Gruppe von Negativemissionstechnologen«, die vorschlägt, anderthalb Milliarden »Eichen« zu pflanzen, »was 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden könnte«, wird von ihr entgegengehalten: »Bäume sind dunkler. Wenn wir z. B. die Tundra aufforsten würden, würde das die von der Erde absorbierte Energiemenge erhöhen« – also sogar eher zur »Erderwärmung« beitragen. »Eine Möglichkeit, dieses Problem zu umgehen, wäre, mit der CRISPR-Technologie genmodifizierte hellere Bäume zu schaffen.«

Eine weitere Gruppe von Geoengineers will zwecks Verlangsamung der Erderwärmung Kalzit-, Sulfat- oder Diamantpartikel in der Stratosphäre versprühen, die das Sonnenlicht zurückstrahlen. Dafür hat sie schon mal ein Flugzeug, den Stratospheric Aerosol Injection Lofter, kurz SAIL genannt, konstruiert. Mit dem will man im ersten Jahr 100.000 Tonnen Schwefel versprühen. Leider würde dies »das Erscheinungsbild des Himmels verändern. Er wäre nicht mehr blau, sondern weiß.«

Wenn man jetzt auch noch das Anthropozänphänomen der zunehmenden Zahl von quasi-natürlichen Albinogeburten bei Wildtieren und -pflanzen quer durch alle Arten – von der Eidechse bis zum Elefanten und vom Hanf über Mammutbäume bis zum Ahorn – dazuzählt, kann man sich in etwa ein Bild machen: kein Schnee im Winter mehr, aber ganzjährig weiße Mischwälder mit weißen Tieren unter weißem Himmel.

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