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Aus: Ausgabe vom 04.06.2024, Seite 12 / Thema
Co-Management

Auf verlorenem Posten

Die einen »geben«, die anderen »nehmen« Arbeit – wenn’s gut geht. Wenn nicht, wird ein bisschen »gekämpft«. Ein Streiflicht auf die verlogene Idylle der Marktwirtschaft.
Von Suitbert Cechura
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Eher Amboss als Hammer. Jobabbau gehört zum kapitalistischen Geschäft, auch wenn Sozialdemokraten meinen, dies zeuge von schlechter Betriebsführung. Protest vor der Hauptverwaltung der Thyssen-Krupp Steel Europe AG in Duisburg zusammen mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (30.4.2024)

Entlassungen finden täglich statt, das ist Alltag in der hochgelobten sozialen Marktwirtschaft. In die Medien gelangen Meldungen über den Verlust von Arbeitsplätzen in der Regel erst dann, wenn es sich um Massenentlassungen handelt. Aber auch dann sind sie vielfach nur eine kurze Notiz wert, etwa nach dem Muster: »Infineon kündigt Stellenabbau an und senkt die Prognose erneut – Aktienkurs steigt« (heise.de, 8.5.24). Oder: »VW-Mitarbeiter sollen mit Abfindungen gehen« (FAZ, 15.4.24).

Auch solche größeren Vorkommnisse sind nichts Ungewöhnliches. Mal geht es um Entlassungen wegen schlechter Geschäftslage oder -erwartungen, mal um die Sicherung des Geschäftserfolgs durch Rationalisierungen, die die Einsparung von Personal ermöglichen, das heißt marktwirtschaftlich gesprochen: erzwingen. Es gibt eigentlich keinen Zeitpunkt, zu dem sie nicht in der einen oder anderen Branche stattfinden. Eine besondere Würdigung erhalten sie, wenn es zu Unruhe in der Belegschaft oder zu Protestaktionen kommt – wie jüngst etwa bei Thyssen-Krupp oder Galeria Karstadt-Kaufhof. Dann treten regelmäßig die Gewerkschaften in Aktion, die einen Kampf um Arbeitsplätze ankündigen, und in ihrem Gefolge melden sich auch Landes- oder Kommunalpolitiker zu Wort.

Trostlos sind diese Kämpfe, weil sie den Schaden der Betroffenen als Anlass für ein Protestritual nehmen, statt aus den immer wiederkehrenden Notlagen einen vernünftigen politökonomischen Schluss zu ziehen. Dazu hier einige Argumente.

Hausaufgaben gemacht?

Wenn große Protestveranstaltungen anstehen, dann dürfen Politiker nicht fehlen, dann drängen sie sich ans Mikrophon: »Das Management muss seine Hausaufgaben machen. Verhindert betriebsbedingte Kündigungen! (…) Ihr kämpft nicht nur für eure Jobs, ihr kämpft für NRW und Deutschland – und ihr seid nicht allein. Wenn ihr mich braucht, bin ich da.« So sprach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zuletzt bei Thyssen-Krupp (Rheinische Post, 30.4.24).

Da bläst einer gehörig die Backen auf – und kommt mit einer verlogenen Schuldzuweisung. Schließlich hat das Management seine Hausaufgaben gemacht. Es hat die Bedingungen für den weiteren Geschäftsgang scharf kalkuliert und ist im Ergebnis zu seinen Entlassungsdrohungen gekommen, hat also nichts verschlafen. Als Arbeitsminister kennt Heil natürlich den feinen Unterschied zwischen betriebsbedingten Entlassungen und solchen über einen Sozialplan. Erstere gilt es zu bekämpfen, letztere sollen in den Augen von Arbeitervertretern eigentlich kein beklagenswerter Arbeitsplatzverlust sein.

Dabei ist es gerade die Normalität, dass Massenentlassungen über einen Sozialplan abgewickelt werden. Und für diese Lösung sollen die Stahlkocher im Ruhrgebiet jetzt offenbar kämpfen. Wenn sie sich mit einem derartigen Kampf um Arbeitsplätze auch gleich für NRW und Deutschland stark machen, wie vom Arbeitsminister gefordert, dann wird statt ihrer persönlichen Notlage zudem auf eine nationale verwiesen: Das Land braucht den Stahl! Deutschland droht weitere Deindustrialisierung! Unterstellt ist damit, dass Thyssen-Krupp seine Stahlproduktion ganz aufgeben würde. Das ist aber gar nicht geplant. Der Verkauf der Stahlsparte stand zwar einmal zu Diskussion, ein Käufer wurde jedoch nicht gefunden. Deshalb werden jetzt andere Optionen geprüft. Für das Kapital gibt es eben viele Möglichkeiten, Gewinne einzufahren; so verfügt Thyssen-Krupp ja auch über mehrere Geschäftsfelder, aus denen sich etwas machen lässt.

In Szene setzen

Würdigen will der Minister mit seiner Parole den Dienst, den die Stahlarbeiter für die Region und für Deutschland erbringen. Denn Stahl ist ein Grundstoff für viele Wirtschaftszweige, von daher ist den Staatsmännern und -frauen daran gelegen, dass dieser Stoff nicht nur billig, sondern auch von verlässlichen Lieferanten im eigenen Land hergestellt wird. Denn sonst würde man sich ja als Nation von den Kalkulationen anderer Staaten abhängig machen. Aus diesem Grund haben sich sowohl die Ampelregierung als auch das Land NRW mit Milliardenbeträgen an der Umstrukturierung von Thyssen-Krupp beteiligt und dafür gesorgt, dass sich auch in Zukunft das Geschäft mit Stahl in Deutschland lohnt: »Die größte Einzelförderung in der Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens ist mit dem Ziel verbunden, die Zukunft der Stahlproduktion hier bei uns marktfähig werden zu lassen«, sagt die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur von den Grünen (WAZ, 30.4.24). Und so bemängelt die Ministerin auch keineswegs, dass das Lohnendmachen von Thyssen-Krupp Massenentlassungen einschließt. Was zum Streitpunkt wird, ist die angeblich fehlende Mitbestimmung.

Als Vertreter der Opposition im Lande weiß der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Jochen Ott natürlich die Kundgebung für sich zu nutzen: »Es kann nicht sein, dass sich der Konzern mit öffentlichen Mitteln und auf Kosten von Arbeitsplätzen gesund saniert und das Land dabei einfach zuschaut. Wir erwarten vom Ministerpräsidenten, dass er hierzu klipp und klar Stellung bezieht und keine Fördergelder mehr in einer solchen Höhe fließen ohne Standort- und Beschäftigungsgarantien.« (WAZ, 30.4.24) Zwar fließen Gelder in solcher Höhe auch von der SPD-geführten Bundesregierung, aber was tut das zur Sache, wenn es darum geht, der NRW-Regierung an den Karren zu fahren. Und dass Fördergelder keineswegs an eine Vorschrift für Unternehmen gebunden sind, wie sie ihr Geschäft zu betreiben haben, dürfte einem erfahrenen Politiker wohl bekannt sein. Doch hier geht es eben darum, sich als Kämpfer für die Sache der Arbeitnehmer zu präsentieren.

Nicht nur die Stahlarbeiter haben keine Chance, dem Beistand der Politik zu entkommen, auch dem Anliegen von Galeria widmen sich führende Politikerinnen: »Es wird jetzt die Aufgabe der Investoren sein, mit guten Konzepten die Attraktivität dieser Häuser zu steigern und Kundinnen und Kunden dauerhaft zu gewinnen und zu halten«, so die Wirtschaftssenatorin von Berlin, Franziska Giffey (SPD). Man werde dies seitens des Senats begleiten. Das Interesse sei weiterhin, dass die Kaufhäuser »mit ihrer Ankerfunktion in unseren Einkaufsstraßen und Stadtzentren« gut funktionieren, dies sei ein übergeordnetes Anliegen (www.rbb24.de, 28.4.24). Giffey hat auch gleich eine höhere Notlage im Blick: Für die Städte ist es wichtig, dass auf ihrem Gelände möglichst viel Geschäft stattfindet, denn viel Geschäft zieht weiteres an und macht den kommunalen Standort attraktiv. Dafür sollen sich nicht nur die Bürger stark machen, sondern darin haben auch die Beschäftigten das eigentliche Problem zu sehen.

Überraschte Aufsichtsräte

Wenn von Politikern wie Gewerkschaftern anlässlich von anstehenden Entlassungen die mangelhafte Mitbestimmung beklagt wird, ist dies seltsam. Der stellvertretende Vorsitzende des Thyssen-Krupp-Aufsichtsrats Detlef Wetzel stammt zum Beispiel von der Gewerkschaft IG Metall und die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sitzt im Aufsichtsrat des Tochterunternehmens Hüttenwerk Krupp Mannesmann. Diese Leute, die regelmäßig mit den Managern des Unternehmens zusammenkommen und sie beaufsichtigen, wollen bei Entlassungen immer nicht informiert worden sein. Statt dessen beschuldigen sie die von ihnen kontrollierte Geschäftsleitung, im Alleingang gehandelt zu haben. Zwar war etwa bei Thyssen-Krupp schon lange in der Presse Thema, dass das Unternehmen mit einem tschechischen Investor verhandelt, um zusätzliche Mittel für die Umstrukturierung des Betriebs zu erhalten. Von der Einigung mit diesem wollen die Gewerkschafter aber nun völlig überrascht worden sein und beklagen die fehlende Mitbestimmung. So geht Gewerkschaftspolitik, die darauf aus ist, den Erfolg des Unternehmens mitzugestalten, für die Folgen der Unternehmensentscheidungen jedoch nicht verantwortlich sein will. Verlogenheit gehört eben mit zum Beruf des »Arbeiterpolitikers«. Damit reihen sich solche »Arbeitervertreter« nahtlos in die Riege der Politiker ein, die Massenentlassungen stets als Mittel ihrer Selbstdarstellung zu nutzen wissen.

Wenn Arbeitnehmer, Gewerkschafter oder Politiker von den Unternehmern Zukunftskonzepte einfordern, so entwerfen sie das wirklichkeitsfremde Bild von Unternehmen, die Geschäftserfolge ganz ohne Entlassungen erzielen könnten und wollten. Entlassungen sollen demnach immer das Resultat einer verfehlten Geschäftspolitik sein. Ganz so, als ob es in der Konkurrenz von Unternehmen um Märkte und Gewinne sichere Erfolgsrezepte gäbe und nicht jedes Unternehmen darauf spekuliert, mit seinen Maßnahmen den eigenen wirtschaftlichen Erfolg gegen den der anderen zu sichern. In der wirklichen Konkurrenz gibt es dagegen immer Gewinner und Verlierer und damit das Bestreben, den Erfolg durch bessere Performance sicherzustellen, das heißt durch Kostensenkung das eigene Angebot attraktiver zu machen. Und wie jeder weiß, sind gerade in Deutschland die Ausgaben fürs Personal ein »Riesenproblem« und deren Senkung das entscheidende Mittel zum Konkurrenzerfolg. Wer also ein Zukunftskonzept für das Unternehmen fordert und mitträgt, bindet seine eigene Existenz an den Erfolg des Unternehmens. Wenn dieses dann Einschnitte beim Personal verlangt, sind das eben nach Maßgabe derer, die die Zukunftskonzepte umsetzen, notwendige Opfer zur Sicherung der noch verbleibenden Arbeitsplätze. So sieht die Zukunft des Unternehmens und der Mitarbeiter eben sehr unterschiedlich aus.

Offenkundige Abhängigkeit

Den Schluss müsste man daher ziehen: Wenn Entlassungen anstehen, dann wird die Abhängigkeit und Unsicherheit eines Lebens, das auf den Verkauf der Ware Arbeitskraft festgelegt ist, offenkundig. Einkommen gibt es nur, wenn die Beschäftigung von Arbeitskräften sich für die Anwender lohnt, die Investition in Lohn einen Gewinn verspricht. Ist dies nicht der Fall, werden die Menschen entweder erst gar nicht beschäftigt oder außer Lohn und Brot gesetzt. Ein Mittel dagegen haben die vom Lohn Abhängigen erst einmal nicht. Die Ankündigung, dass Entlassungen von Teilen der Belegschaft anstehen, führt ja in der Regel zu einer Spaltung der Beschäftigten. Die einen sind enttäuscht, dass ihnen das Einkommen genommen wird, die anderen froh, dass es sie nicht erwischt hat. Den zur Entlassung anstehenden Mitarbeitern fehlt das Mittel, sich zu wehren, da eine Arbeitsverweigerung in Form des Streiks nicht mehr wirkt, auf ihre Mitarbeit wird ja von seiten des Betriebs nicht mehr gesetzt.

Druck machen können allenfalls diejenigen, die noch gebraucht werden, weil ihre Beschäftigung weiterhin lohnend erscheint. Doch die haben meist kein Interesse, sich unter diesen Bedingungen mit denjenigen anzulegen, von denen ihre Weiterbeschäftigung abhängt. Sehen sie doch in einem Arbeitskampf eher ein Risiko für ihren »Besitz« eines Arbeitsplatzes. Eine Spaltung übrigens, die von seiten der Gewerkschaft nicht aufgehoben wird, wenn sie den Kampf um Arbeitsplätze ausruft. Bei aller Beschwörung der Solidarität richtet sich der Kampf um Arbeitsplätze darauf, dass auch in Zukunft der Erfolg der Firma gesichert wird, was meist Opfer und auf jeden Fall höchste Leistungsbereitschaft der Weiterbeschäftigten einschließt. Die Zukunft verlangt das! So traten die Beschäftigten von Galeria bei den 1.-Mai-Kundgebungen unter der Parole an: »Wir kämpfen für unsere Zukunft« (swr.de, 1.5.24) und die Thyssen-Krupp-Arbeiter bei ihrer Kundgebung am Tag zuvor: »Zukunft statt Kündigung« (waz.de, 30.4.24).

Sozialplan als Interessenausgleich?

Der Sozialplan gilt als Interessenausgleich, weil er dem Unternehmen Kosten bereitet und den Entlassenen den Schaden mildert. Das Unternehmen zahlt Abfindungen oder beteiligt sich an den Kosten für eine Qualifizierungs- oder Transfergesellschaft und setzt so sein Interesse an einer Kostensenkung durch. Wenn Arbeitnehmer Abfindungen erhalten, dann sagt dieses Wort schon alles: Sie sollen sich durch dieses Geld mit ihrer Entlassung abfinden und nicht aufmüpfig werden. Ihr Einkommen ist erst einmal weg, das steht fest. Als Alternative zur direkten Entlassung gibt es höchstens die Möglichkeit einer vorübergehenden Beschäftigung in einer Qualifizierungs- oder Transfergesellschaft. Damit wird zumindest für eine begrenzte Zeit der alte oder ein verminderter Lohn weitergezahlt.

Diese Alternative legt jedoch einen anderen Sachverhalt offen: Obgleich es sich bei den Entlassenen um Fachkräfte handelt – Stahlarbeiter oder Verkäuferin –, gilt ihre Qualifikation gar nicht mehr oder nur noch beschränkt als tauglich. Durch ihre langjährige Tätigkeit für den Betrieb wurden nur Teile ihrer früheren Qualifikation abgefragt und sie selbst einseitig auf bestimmte Tätigkeiten festgelegt. Deshalb gelten sie für andere Firmen als nur bedingt tauglich. Diesen Mangel soll die Qualifizierungsgesellschaft beseitigen und die Entlassenen für andere Tätigkeiten brauchbar machen. Außerdem soll die Beschäftigung in einer solchen Gesellschaft dazu dienen, dass die dort Tätigen sich neue Arbeit suchen können.

Dass sie nicht als Arbeitslose, sondern als Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt treten, soll für sie nämlich von Vorteil sein. Damit wird ausgesprochen, dass arbeitslos zu sein als ein Mangel in der Konkurrenz um Arbeitsplätze gilt – ganz so, als sei bei den Entlassenen ein persönliches Versagen festzustellen. Sie stehen unter dem Verdacht, an ihrer Entlassung zumindest in gewissem Umfang Mitschuld zu tragen. Und, last but not least: Wer nicht arbeitet, dem kann auch die Arbeitsmoral abhanden kommen. Es ist offenbar eine eigene Leistung, die einem Arbeitnehmer abverlangt wird, dass er immer – ganz unabhängig davon, wie es ihm geht – seine Bereitschaft zur Arbeit demonstriert: Am besten also nicht aus der Übung kommen!

Die erkämpften Arbeitsplätze sind immer die, die das Unternehmen auch für seinen weiteren Geschäftserfolg gebrauchen will. Dem Schwindel, dass diese Arbeitsplätze damit so etwas wie eine sichere Zukunft bieten, dürfte eigentlich keiner aufsitzen. Die Wahrheit haben ja nicht nur die Beschäftigten von Galeria erfahren dürfen, die schließlich bereits vom dritten Insolvenzverfahren betroffen sind. Die von ihnen erbrachten Opfer in Form von Lohneinbußen haben die Arbeitsplätze so wenig sicher gemacht wie die 31-Stundenwoche mit entsprechendem Lohnverzicht der Stahlarbeiter bei Thyssen-Krupp.

Problem Kapitalismus

Die dabei Entlassenen haben zudem ihr Arbeitslosengeld auf den reduzierten Lohn erhalten. Schlauer wurden dadurch weder die Belegschaft noch ihre Gewerkschaften. Aus den Opfern, die die Arbeitnehmer gebracht haben, leiten ihre Arbeiterführer vielmehr ein Recht auf sichere Arbeitsplätze ab, das es nicht gibt. So wird, siehe oben, regelmäßig das Management beschuldigt, versagt zu haben, wobei Gewerkschaftsvertreter gerade mit zu den Verantwortlichen der Unternehmen gehören und Gewerkschafter sich in Form von Betriebsräten oder Betriebsratsvorsitzenden als Co-Manager betätigen.

Wenn Arbeitnehmer sich um ihre Existenz sorgen, weil Massenentlassungen anstehen, dann fällt Politikern wie Gewerkschaftsfunktionären nur ein, dass es wichtig ist, sich um den weiteren Erfolg des Geschäftemachens zu sorgen, das gerade diese Opfer produziert. Sie nutzen die Abhängigkeit der Arbeitnehmer vom Gang des Geschäfts um so dringlicher für die Verbreitung des alternativlosen Standpunkts, dass das Geschäftemachen vorankommen muss. Das heißt, es muss sich für diejenigen lohnen, die aus ihrem Geld mehr Geld machen wollen, alles andere ist dem untergeordnet. Das ist ihr Einsatz für die Arbeitnehmer im Lande, für den sie dann als Politiker oder Betriebsräte gewählt werden wollen. Ganz schön trostlos!

P. S. In der sozialen Marktwirtschaft gilt der Arbeitsplatz als ein höchst erstrebenswertes Gut, um dessen Bereitstellung sich das freie Unternehmertum zu kümmern und auf dessen Erwerb sich alle und der Nachwuchs sowieso vorzubereiten haben. Schon bei der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise wurde daher die ökonomische Lüge vom Kapitalisten als »Arbeitgeber« ins Leben gerufen und zur verbindlichen Sprachregelung gemacht. Er ist der Spender dieser Wohltat, von der andere, die »Arbeitnehmer«, dann leben. Die Legende hält sich, auch wenn Tag für Tag die lieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen darauf hin durchgemustert werden, auf wessen Dienste man verzichten kann, und auch wenn Massenentlassungen nichts Ungewöhnliches sind. Vielleicht sollte man einmal bei einem alten Rheinländer in seiner berühmten Schrift »Das Kapital« nachschlagen, denn hier wird ein Klartext gesprochen, den im Grunde jeder Wirtschaftsbürger Anno Domini 2024 nachvollziehen kann. Dort könnte man erstens Aufklärung darüber erhalten, was es mit dem Geben auf sich hat: Ein Unternehmer investiert »variables Kapital«, so wird bei ihm das Personal verbucht; es ist ein Posten in der Rechnung, der sich zu rentieren hat, mehr nicht. Mit der Sicherstellung eines Lebensunterhalts hat das nichts zu tun. Und zweitens ist bei der Vergabe gleich schon der Entzug mit im Visier, also die Frage, ob im Kostenvergleich nicht der Einsatz moderner Technik besser abschneidet; die ganze, enorme Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus ist ja die beständige Probe darauf, was sich hier an Manpower durch Hightech ersetzen lässt. Marx schreibt im »Kapital« (MEW 23, 430), es sei »eins der großen Verdienste« der klassischen politischen Ökonomie, »die Maschinerie nicht nur als Produktionsmittel von Waren, sondern auch von ›überschüssiger Bevölkerung‹ begriffen zu haben.« Aber davon will heute kein Ökonom und Gewerkschaftsvertreter mehr etwas wissen!

Suitbert Cechura schrieb an dieser Stelle zuletzt am 7. November 2023 über die Widersprüche eines auf Profit orientierten Gesundheitssystems: Auf Verschleiß.

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