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Aus: Ausgabe vom 05.06.2024, Seite 6 / Ausland
Mexiko

Viel zu tun für Sheinbaum

Mexiko: Wahlerfolg für linkes Bündnis. Neue Staatschefin will Gewalt mit Sozialprogrammen bekämpfen
Von Volker Hermsdorf
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Neues Gesicht, alte Probleme: Mexikos gewählte Präsidentin Claudia Sheinbaum gibt sich kämpferisch (Mexiko-Stadt, 3.6.2024)

Der Erdrutschsieg der ersten Frau an der Spitze Mexikos und des linken Bündnisses »Lasst uns weiter Geschichte schreiben« hat den Vormarsch der Rechten in Lateinamerika zumindest vorerst aufgehalten. Nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmen betrug der Vorsprung der künftigen Präsidentin Claudia Sheinbaum von der sozialdemokratischen Regierungspartei Morena vor ihrer neoliberalen Konkurrentin am Dienstag nachmittag mehr als 31 Prozent. Nach derzeitigem Stand wird die im Bündnis mit der sozialistischen Arbeiterpartei PT und den Grünen angetretene Partei zudem die Regierungschefin von Mexiko-Stadt, sowie die Gouverneure in sieben der acht Bundesstaaten stellen. Auch im Parlament konnte das Regierungsbündnis die Vormachtstellung für die nächsten sechs Jahre sichern und teilweise ausbauen.

Sie werde das Erbe des derzeitigen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador bewahren und »eine Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk« bilden, erklärte die 61jährige Physikerin und promovierte Umweltingenieurin am Montag in ihrer ersten Rede nach dem Wahlsieg vor Tausenden jubelnden Anhängern vor dem Regierungspalast. Sheinbaum versprach, den Mindestlohn zu erhöhen und Stipendien für alle Kinder, die öffentliche Schulen besuchen. Ihre Regierung werde außerdem den Bau von mehr Gymnasien, Universitäten und Wohnungen für junge Menschen priorisieren, das staatliche Gesundheitswesen konsolidieren, den öffentliche Schienenverkehr ausbauen und die von López Obrador in Auftrag gegebene Reform zur Anerkennung indigener und afromexikanischer Völker vorantreiben.

Der scheidende Präsident kündigte an, dass er sich nach der Amtsübergabe am 1. Oktober in den Ruhestand zurückziehen werde, da seine »Mission« erfüllt sei. »Ich bin sehr glücklich, das Präsidentenamt an eine Frau zu übergeben, nachdem Mexiko 200 Jahre lang nur von Männern regiert wurde«, sagte López Obrador am Montag in seiner morgendlichen Pressekonferenz. Die Glückwünsche von Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, die von Miguel Díaz-Canel (Kuba) und Nicolás Maduro (Venezuela) bis zu El Salvadors »coolsten Diktator« Nayib Bukele und von Joseph Biden (USA) bis zu Wladimir Putin (Russland) reichten, unterstreichen Mexikos Bedeutung für die Integration Lateinamerikas und die wachsende globale Rolle des größten spanischsprachigen Landes der Welt. Auch der derzeit nicht durch eine Wahl legitimierte Amtsinhaber der Ukraine, Wolodimir Selenskij, übermittelte Glückwünsche. Da fällt es nicht ins Gewicht, dass weder sein enger Freund, Argentiniens ultrarechter Machthaber Javier Milei, noch ein prominentes Mitglied seines Kabinetts Sheinbaum direkt gratulierten.

Überschattet wurden die Siegesfeiern von einem neuen Anschlag. Am Montag wurde die Bürgermeisterin der Gemeinde Cotija im Bundesstaat Michoacán erschossen, nachdem schon im Wahlkampf mit 37 getöteten Kandidaten ein neuer Rekord erreicht wurde. Bei den Zwischenwahlen 2021 waren nach Angaben von Reuters 36 Kandidaten ermordet worden. Am Vortag hatte die Stimmabgabe in zwei Städten wegen der Präsenz bewaffneter Bandenmitglieder ausgesetzt werden müssen. Die hohe Kriminalitätsrate und die Macht des organisierten Verbrechens werden wohl zu den größten Herausforderungen für Sheinbaum gehören. Täglich sterben in Mexiko rund 100 Menschen, davon elf Femizide, eines gewaltsamen Todes. Und die Täter kommen meist ungeschoren davon. 95 Prozent der Straftaten werden nicht aufgeklärt. Auch Sheinbaum will Polizei und Strafverfolgung stärken.

Anders als ihre rechten Kontrahenten sieht sie jedoch die Fortsetzung der von López Obrador begonnenen Programme gegen Armut und soziale Ungleichheit als wichtige Voraussetzung für den Erfolg im Kampf gegen die Gewalt. Weitere zentrale Baustellen sind die Reduzierung des Haushaltsdefizits und die anhaltend hohe Migration vor allem junger Leute ins Nachbarland USA. Obwohl sich rund 40 Prozent der gut 98 Millionen Berechtigten nicht an den Wahlen beteiligt hatten, ist die Erwartung von großen Teilen der Bevölkerung an die erste Präsidentin des Landes groß. Doch ihr überwältigender Sieg bei den historischen Wahlen sei »kein Blankoscheck«, so die mexikanische Tageszeitung La Jornada am Dienstag in einem Leitartikel.

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