Treuhandputsch in kurdischer Stadt

Am Montag ist auf Anweisung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Treuhänder für die von der linken Dem-Partei gewonnene Gemeinde Hakkâri ernannt worden. Hintergrund ist ein seit 15 Jahren andauerndes Verfahren, in dem Mehmet Sıddık Akış und auch ich angeklagt sind. Akış wurde bei den Kommunalwahlen am 31. März zum Kobürgermeister von Hakkâri gewählt.

Insgesamt waren am 9. Juni 2010 zwölf Personen verhaftet worden. Nach zwei Jahren im Gefängnis wurden fünf von uns im April 2012 bis zur Verhandlung freigelassen, unsere anderen Freunde mussten bis zum nächsten Gerichtstermin warten. Sie wurden bei Freilassung mit einem Ausreiseverbot belegt. Unsere 845seitige Anklageschrift besteht ausschließlich aus abgehörten Telefongesprächen und falschen Aussagen von anonymen Zeugen. Angeführt als Verbrechen werden darin das Veröffentlichen unbegründeter Darstellungen (das Foto des Jugendlichen Cüneyt Ertuş, dessen Arm von der Polizei gebrochen wurde) als falsche Bilder, das Verfolgen der Pressekonferenzen und sogar das Filmen derselben – alles leere Vorwürfe. Es wäre treffend zu sagen, dass die Regierungspartei AKP diesen Fall wenige Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist, in der selbst die örtlichen Gerichte keine Straftat feststellen konnten, zu einer politischen Angelegenheit gemacht hat. Einer der wichtigsten Punkte ist, dass der Staatsanwalt, der unsere Anklageschrift vorbereitet hat, ein Gülenist ist, nach dem seit 2016 selbst wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gefahndet wird.

… Und es sind genau 15 Jahre vergangen. Normalerweise führten fast alle KCK-Prozesse (Verfahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der Union der Gemeinschaften Kurdistans, KCK; jW) zu Verurteilungen, aber unser Fall wurde immer wieder vertagt, weil er keine Basis hatte. Jede Kammer – insgesamt waren es 20 – übergab den Fall an die nächste, um nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen. Unser Verfahren ging so weit, dass alle sechs Monate Anhörungen stattfanden, bis heute wurden keine Beweise gefunden.

Vor den Kommunalwahlen hatte die AKP in Hakkâri alles unternommen, um die Gemeinde zu plündern und mit Millionen von Schulden zu belasten. Nachdem sie ihre Ziele am 31. März nicht hatte erreichen können, wurde die Justiz wieder als Waffe in ihren Händen aktiviert. Der Fall, der vor den Wahlen in keiner Weise ein Problem darstellte, kam ihnen jetzt wieder in den Sinn. Diejenigen, die 15 Jahre lang in diesem Fall vor Gericht standen, wurden nun für schuldig erklärt, Akış inhaftiert und ein Treuhänder für die Stadtverwaltung von Hakkâri ernannt.

Drei Tage vor unserer letzten Anhörung am 23. Mai teilte mir mein Anwalt mit, dass ein endgültiges Gutachten vorbereitet wurde, in dem die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von 15 Jahren bis zu 22 Jahren und sechs Monaten für alle Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und Propaganda fordert. Ich habe mir das Schlussgutachten angesehen – und es ist völlig inhaltsleer. Dem gewählten Kobürgermeister wird darin besondere Aufmerksamkeit zuteil. Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass der Staatsanwalt und die Richter nur Statisten in diesem Spiel sind und der Hauptzweck darin besteht, den Willen des kurdischen Volkes zu unterdrücken.

Unsere nächste Anhörung ist an diesem Mittwoch, und während wir auf das Ergebnis des Amtsgerichts warten, hat das Innenministerium sofort gehandelt und Akış seines Amtes enthoben, ohne die Entscheidung des Gerichts abzuwarten. Das zeigt, mit welcher Art von Gesetz wir es zu tun haben. Es gibt weder ein Verbrechen noch eine Strafe, sie glauben nur, was sie glauben wollen, und setzen den Willen des kurdischen Volkes mit ihrer schmutzigen Politik außer Kraft. Dieser oder jener Treuhänder bedeutet Diebstahl, Plünderung, Staatsstreich.