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Aus: Ausgabe vom 05.06.2024, Seite 8 / Ansichten

Wie unterm Kaiser

Boom der Waffenschmieden
Von Jörg Kronauer
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Protest von BVB-Fans gegen das Rheinmetall-Sponsoring

Noch mehr Geld für noch mehr Waffen: Diesmal war es der Chef der Airbus-Militärsparte, der den Lieblingsvers der deutschen Rüstungsindustrie in die öffentliche Debatte schmetterte. Das sogenannte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das der Bundeskanzler vor nur wenig mehr als zwei Jahren angekündigt hat? Das reiche vorne und hinten nicht aus, beklagte sich der Mann. Wolle man weiter rüsten, müssten neue Scheine her. Längst haben sich frisch bekehrte, dafür um so fanatischere Rüstungsjünger wie Anton Hofreiter für neue Extraschulden, pardon: ein neues »Sondervermögen« in dreistelliger Milliardenhöhe, stark gemacht. Längst wird eine Aussetzung des heiligsten Tabus aller deutschen Sparkommissare, der Schuldenbremse, zugunsten der Rüstung diskutiert. Drohnen, Kriegsschiffe, Munition: Das sind, scheint es, die neuen Lieblingsprodukte der Rüstungsrepublik Deutschland.

Die Folgen reichen weit. Noch nie seit dem Ende des Kalten Kriegs ist die Rüstungsindustrie in Deutschland so energisch gefördert worden wie heute. Unbedeutend war sie zu keiner Zeit; zu den führenden, tonangabenden Branchen gehörte sie aber nicht. Das waren – und sind immer noch – die zivile Kfz-Produktion, der Maschinenbau, die Chemie. Für letztere läuft es insbesondere wegen des hohen Erdgaspreises nicht rund. Die Autohersteller kämpfen mit der Umstellung auf die Elektromobilität. Rheinmetall hingegen, der Spitzenreiter der deutschen Rüstungsbranche, der allein ein gutes Drittel des »Sondervermögens« kassieren dürfte, peilt eine Verdopplung seines Umsatzes an, will zudem Konkurrenten übernehmen und auf diesem Weg zur bislang US-dominierten Weltspitze der Branche aufschließen. Gelingt dies, dann wird Rheinmetall der deutschen Rüstungsindustrie zu einem Boom sowie zu neuer politischer wie auch gesellschaftlicher Bedeutung verhelfen.

Eine Vorahnung davon verschafft das neue Rheinmetall-Sportsponsoring. Neben den Fußballern von Borussia Dortmund will die Düsseldorfer Waffenschmiede jetzt auch noch den Eishockeyverein Düsseldorfer EG finanzieren und seine Werbung auf die Bande wie auch auf die Eisfläche projizieren: ein nächster Schritt auf dem Weg, dem Militär, der Rüstungsindustrie zu einem Prestige zu verhelfen, wie sie es einst im Kaiserreich besaßen. All das übrigens in einer Zeit, in der, wer von der außenpolitischen Schießscharte der Bundesregierung abweicht, in zunehmendem Maße riskiert, als verwerflicher Abweichler, als Täterschützer, als Wen-oder-was-auch-immer-Versteher denunziert und damit auf Linie gezwungen oder ausgegrenzt und gecancelt zu werden. Kehrt das alte Preußen mit seiner Liebe zum Militär und zum Autoritarismus zurück? Es mag durchaus so scheinen. Freilich sollte man niemals vergessen, wohin das preußisch dominierte Reich Deutschland im vergangenen Jahrhundert zweimal führte.

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  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (4. Juni 2024 um 22:32 Uhr)
    Stets neu und aktuell ist das Gedicht »Todesfuge« von Paul Celan, wo es heißt: »Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.«
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (4. Juni 2024 um 22:13 Uhr)
    Das Grundproblem der Rüstungsindustrie im Westen liegt darin, dass sie als Privatindustrie vollständig auf Profit ausgerichtet ist. In den USA wurde ein System entwickelt, das es ermöglicht, Spitzentechnologie herzustellen und durch politisch herbeigeführte Sicherheitsbedürfnisse und Kriege Waffen in ungeahntem Ausmaß weltweit zu verkaufen. Dieses System gleicht beinahe einem »Perpetuum mobile«, da es langfristige Aufträge generiert. Kurz gesagt, die versprochenen Profite der Rüstungsindustrie bestimmen die Kriege in der Welt. Die Situation in Deutschland sieht ganz anders aus. Zwar plant die deutsche Rüstungsindustrie, ihre Kapazitäten in den kommenden Jahren zu erhöhen – Branchenkreisen zufolge wollen die Firmen KMW und Rheinmetall die Produktion von »Leopard«-Kampfpanzern auf rund 100 Stück pro Jahr verdoppeln. Obwohl der Bedarf kurzfristig größer ist, lohnt sich eine Investition nicht, da dies den Gewinn reduziert und niemand garantieren kann, dass die Kapazitätserweiterungen auf tatsächliche zahlungsfähige Nachfrage stoßen. Und falls unerwartet Frieden eintritt – was immer möglich ist –, wer wird die Rüstungsfirmen für die getätigten Investitionen und Bestellungen entschädigen? Generell kann im Westen außer den USA niemand – im Gegensatz zu Russland, China und Nordkorea, wo die Rüstungsindustrie in staatlicher Hand ist – von einem Tag auf den anderen auf Kriegswirtschaft umstellen und auch umgekehrt. Die Lieferprobleme des Westens nach der Ukraine zeigen diese Problematik deutlich auf. Deutschland befindet sich in einer Zwickmühle. Ohne günstige Energieträger ist es nicht in der Lage, im weltweiten Militärwettbewerb mitzuhalten, geschweige denn die fehlenden Ressourcen und die »Untertanen-Mentalität«, wie sie Heinrich Mann beschrieben hat, zu ersetzen, die in der Kaiserzeit vorherrschte.

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