Notstand im britischen NHS
Von Dieter Reinisch![BRITAIN-HEALTH.JPG](/img/450/195684.jpg)
Der Niedergang des britischen Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) habe die medizinische Versorgung an einen kritischen Punkt gebracht, warnte die Pflegegewerkschaft Royal College of Nursing (RCN) und erklärte, es gebe einen »nationalen Notstand«. Ein neuer RCN-Bericht zeigt, dass mehr als ein Drittel der Patienten mangels Betten auf dem Flur behandelt werden muss. Der Befragung von fast 11.000 Pflegekräften zufolge sei das Normalität geworden.
Patienten blieben manchmal tagelang auf den Fluren, heißt es im Bericht. Die Behandlung in den Gängen sei »unsicher, unwürdig, inakzeptabel«, es zeige sich ein »düsteres Bild der Flurpflege in ganz Großbritannien«, schrieb das RCN in einer Pressemitteilung am Montag.
Über die Hälfte der Krankenpfleger, die in »ungeeigneten Umgebungen« wie auf Fluren oder Parkplätzen ihre Arbeit leisten, gaben an, dass sie dort keinen Zugang zu lebensrettender Ausrüstung wie Sauerstoff hätten. Mehr als zwei Drittel gaben an, dass die Pflege, die sie in Gängen leisteten, die »Privatsphäre und Würde der Patienten« verletzten.
Und weiter: »Tausende Pflegekräfte berichten, dass die Flurpflege in fast jedem Krankenhauses zur Norm geworden ist. Aufgrund des hohen Patientenaufkommens und der Kapazitätsengpässe hat das Pflegepersonal keinen Platz mehr, um die Patienten unterzubringen.« Das RCN resümierte: »Was eine Notfallmaßnahme sein sollte, ist heute zur Routine geworden.«
Die Flurpflege ist »ein Symptom eines Gesundheitssystems in der Krise«. Es gebe nicht genug Krankenhausplätze, schrieb RCN. Der schlechte Gesundheitszustand der Bevölkerung und mangelnde Investitionen in die Prävention verschärfen das Problem, heißt es weiter in dem Bericht.
Nicola Ranger, neue RCN-Generalsekretärin, kommentierte den Bericht: »Das ist eine Tragödie für unseren Berufsstand. Unsere einst weltweit führenden Dienste behandeln Patienten auf Parkplätzen und in Lagerschränken. Ältere Menschen kauern stundenlang auf Stühlen, Patienten sterben auf Fluren.«
Ranger folgte auf die populäre RCN-Generalsekretärin Patricia Cullen, die in der vergangenen Woche zurückgetreten war. Sie wird bei den britischen Unterhauswahlen am 4. Juli für die irisch-republikanische Partei Sinn Féin (SF) antreten. Cullen kandidiert in Fermanagh/South Tyrone, jenem Wahlkreis, den Robert Sands während seines Hungerstreiks 1981 erstmals für die SF gewonnen hatte.
Um auf die schlechte Situation des NHS und die Unterbezahlung aufmerksam zu machen, hat die Ärztegewerkschaft British Medical Association einen Streik der Assistenzärzte angekündigt. Am 27. Juni werde man für fünf Tage die Arbeit niederlegen.
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