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Aus: Ausgabe vom 05.06.2024, Seite 10 / Feuilleton

Richter, Schober

Von Jegor Jublimov
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Stadtrallye Babelsberg

»Vor manchen jungen Schauspielerkollegen habe ich einen ganz großen Respekt, Alexander Lang beispielsweise. Von dem bin ich ganz entzückt. Das ist ein wunderbarer Schauspieler, der sich völlig den Rollen hingibt.« Der das über den am vergangenen Freitag verstorbenen Kollegen vor vielen Jahren in einem Interview der Zeitschrift Theater der Zeit sagte, wusste, wovon er sprach. Friedrich Richter war einer der großen deutschsprachigen Bühnendarsteller (der sich trotz Akzent auch auf britischen Bühnen bewies). Obwohl er bei Film und Fernsehen oft nur kleine und mittelgroße Rollen spielte, ist er heute in Wiederholungen noch präsent, etwa als weiser Mukrah, der dem »Kleinen Muck« (1953) weiterhilft, als Hugo, der »Intimbereich« der Nachbarin Knatter (Steffie Spira), im Volksstück »Florentiner 73« (1971/72) oder als jüdischer Arzt Professor Kirschbaum in »Jakob der Lügner« (1974).

Da Richter am 5. Juni vor 130 Jahren in Brünn (heute Brno) geboren wurde, erhielt er die tschechische Staatsbürgerschaft, die ihn ab 1933 vor den Nazis wenigstens notdürftig schützte. Denn Richter war nicht nur Jude, er war während seiner Engagements in Stuttgart, Düsseldorf und Köln mit sozialistischen Agitprop-Gruppen aufgetreten und 1928 KPD-Mitglied geworden. Für zwei Jahre ging er in die Sowjetunion, wo er im heute ukrainischen Dnepropetrowsk (Dnipro) und in der damaligen Wolgadeutschen Republik in der Stadt Engels gemeinsam mit seiner Frau Amy Frank und Emigranten wie Maxim Vallentin und Erwin Geschonneck Theater spielte, oft in Stücken von Friedrich Wolf. Später trieb ihn die Flucht über Polen nach England, wo er unter anderem bei Radio und Fernsehen der BBC Arbeit fand und auch in britischen Filmen spielte. Doch die veränderten politischen Umstände ließen ihn 1948 nach Berlin übersiedeln, wo sein Freund und Genosse Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater wirkte. Hier blieb er, der mit seinem böhmischen Tonfall ein begnadeter Sprecher bei Funk und Schallplatte war, bis zu seinem Tod 1984 – kurz vor dem 90. Geburtstag.

Mit einer Sequenz aus »Nathan der Weise«, eine Rolle, die Richter am Deutschen Theater spielte, endet ein Film von Donat Schober über einen jüdischen Philosophen: »Moses Mendelssohn – Ein Weltweiser aus Berlin« (1985) und kommentiert: »Nach Auschwitz treffen Lessings Worte ins Zentrum des Gewissens derer, die über Trümmerberge kommen.« Schober, der am Sonntag seinen 75. Geburtstag begehen kann, hat nach seinem Regiestudium in Babelsberg ab 1981 bei der Defa viele Filmessays über Künstler und Intellektuelle verschiedener Jahrhunderte gedreht, begonnen mit Hans Grundig, dann Fontane, Feuchtwanger, Brecht, Chodowiecki, Fallada, Heinrich Mann und Bettina von Arnim. Man glaubt gar nicht, dass er damals immer mal Probleme bekam, weil es sich allzu selten um Revolutionäre handelte, sondern um Vertreter einer bürgerlich-humanistischen Kultur. Doch seine Sprach- und Bildkultur wirkt und kann noch heute ihre Wirkung entfalten – wenn man denn darauf zurückgreift.

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