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Aus: Ausgabe vom 06.06.2024, Seite 1 / Titel
Über den Wolken

Kuscheln mit Kriegsgerät

Stelldichein der Rüstungsprofiteure: Bundeswehr größter Aussteller auf Internationaler Luftfahrtmesse ILA bei Berlin
Von Annuschka Eckhardt
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Drohnenstreicheln auf der ILA: Scholz traut sich ganz nah ran (Berlin, 5.6.2024)

Dröhnende Motoren, Kerosingeruch und Kriegswaffen – am Mittwoch hat die Internationale Luftfahrtmesse ILA am Flughafen BER in Schönefeld begonnen. Über den Wolken scheint die Freiheit für Kriegstreiber und Rüstungslobbyisten wohl grenzenlos zu sein. Ohne Ängste, ohne Sorgen kann dort all jenes Militärgerät besichtigt werden, das die Bundesregierung im Rahmen des 100 Milliarden Euro großen »Sondervermögens für die Bundeswehr« anschafft. Auf der ILA sind laut den Veranstaltern rund 600 Aussteller aus 31 Staaten vertreten, darunter aus der Ukraine, Israel und dem neuen NATO-Mitglied Finnland.

Nach der vielbeschrienen »Zeitenwende« rief Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der die Messe am Mittwoch morgen eröffnete, die »verteidigungsindustrielle Kehrtwende« aus, nachdem er ein wenig mit dem Kriegsgerät gekuschelt hatte. Scholz sagte der Rüstungsindustrie »verlässliche Aufträge« zu, damit die Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa ausgebaut werden könnten. »Deshalb werden wir noch in dieser Legislaturperiode 20 weitere ›Eurofighter‹ bestellen – zusätzlich zu den 38 Flugzeugen, die derzeit noch in der Pipeline sind«, so der Kanzler. Mit dem baldigen Start der »Ariane 6«-Trägerrakete werde »endlich« wieder Europas eigener Zugang zum All mit einem Großträgersystem hergestellt.

»Die ILA entwickelt sich immer mehr zu einer Nabelschau internationaler Rüstungskonzerne. Für die zivile Nutzung der Luft- und Raumfahrt hat sie längst an Bedeutung verloren. Dass die Bundeswehr der größte Einzelaussteller ist, illustriert diesen klaren Fokus aufs Militärische«, sagte der BSW-Bundestagsabgeordnete Ali Al-Dailami am Mittwoch gegenüber junge Welt.

Viermal pro Ausstellungstag für jeweils rund eine halbe Stunde sind »Flugvorführungen« militärischer und ziviler Luftfahrzeuge geplant, wie der austragende Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) mitteilte. Am Mittwoch vormittag bebte der nasse Asphalt, als ein »Eurofighter Typhoon« – eine »bewährte Plattform im Wandel der Zeit«, wie es auf der Website der Bundeswehr heißt – der Sonne entgegenflog. Günstig kommt der Flugspaß die Steuerzahler allerdings nicht: Im Doppelhaushalt 2023/2024 von Brandenburg sind zur Durchführung der ILA 2024 insgesamt 3,25 Millionen Euro eingeplant. Den gleichen Anteil soll Berlin aufbringen.

»Mit dem auf der ILA ausgestellten ›Arrow 3‹-Flugabwehrsystem, das in Brandenburg stationiert werden wird, stärken wir unsere Verteidigungsfähigkeit«, frohlockte Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg, im Angesicht der israelischen Technik.

»Die militärische Bedeutung der Luftausstellung nimmt kontinuierlich zu, die ILA ist zu einem großen Schaulaufen der Waffenverkäufer verkommen«, sagte Jürgen Wagner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins Informationsstelle Militarisierung (IMI) am Mittwoch gegenüber jW. »Star der Ausstellung ist in diesem Jahr der ›Wingman‹, ein von Airbus präsentiertes Modell für eine deutsche Kampfdrohne«, so der Antimilitarist. Das »Wingman« genannte Konzept sieht eine kampfjetähnliche Drohne vor, die von einem Piloten in einem Kampfflugzeug gesteuert wird und »riskante Missionsaufgaben übernehmen kann«, wie Airbus erklärte.

»In entspannter Atmosphäre werden hier die Rüstungsdeals für die Kriege der Zukunft eingefädelt«, so Al-­Dailami.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (6. Juni 2024 um 07:12 Uhr)
    Mir als unmittelbaren Anlieger des Flughafens BER geht es gehörig auf den Geist, wenn hier jetzt täglich nahezu alle Teilnehmer am »Flying Display« militärischer Natur sind. Der ausufernde Gestank nach verbrannten Kerosin, der Lärm sind das Eine. Jedoch wird mit fliegenden Kriegsgerät die »Kriegstüchtigkeit« der NATO demonstriert und die Bundeswehr als größter Aussteller macht den Slogan »Werben fürs Sterben« deutlich sicht- und hörbar. Und Krieg wird hier zum Volksfest, wenn am Wochenende sicherlich wieder Tausende aufs ILA-Gelände strömen. Da ist sicherlich auch genügend potentielles Kanonenfutter dabei. Die paar zivilen Flüge mit einem A321 fallen kaum ins Gewicht, der Rest ist halt rein militaristisch. Modernstes Gerät wie die F35A, die ja durch die Bundeswehr für die nukleare Teilhabe beschafft wird, zeigt, was sie kann, der Eurofighter ebenso, dazu kommt jeden Nachmittag das »Bundeswehr Joint Scenario« mit diversen Hubschraubern. Die ILA wirbt mit klimaneutralem Fliegen, will also »grüner« werden. Ja, sicherlich grün, aber deutlich olivgrün. Der Flughafen BER liegt unmittelbar an Berlin – Berlin trug einmal den Titel »Stadt des Friedens«. Jetzt ist Berlin (wieder) »Stadt der Kriegsvorbereitung und des Militarismus«, ja eigentlich schon »Hauptstadt des Krieges«.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (5. Juni 2024 um 21:59 Uhr)
    Die Bundeswehr Panzer haben fast alle einen Tiernamen. Bei den Flugzeugen und Drohnen hapert es noch diesbzgl. Wie wäre es, wenn die hier präsentierte Drohne Wellensittich genannt würde. Ein wenig kuscheln geht doch oder wäre der Name Papagei passender?

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