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Aus: Ausgabe vom 06.06.2024, Seite 5 / Inland
Bildungspolitik

Arme Studenten

Paritätischer: Acht von zehn alleinlebenden Hochschülern sind finanzschwach. Bildungsministerin will trotzdem BAföG-Nullrunde
Von Ralf Wurzbacher
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Bildung schwergemacht: Studierende kommen oft kaum über die Runden (Leipzig, 30.11.2021)

Fast 36 Prozent aller Studierenden in Deutschland sind arm. So lautet der Befund einer Kurzexpertise der Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lassen die alarmierenden Zahlen kalt. Gestern befasste sich der Bildungsausschuss des Bundestages im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit ihrer geplanten Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Trotz eindringlicher Appelle mehrerer Verbände, die Leistungen in der Breite spürbar nachzubessern, sieht die Gesetzesvorlage keine Erhöhung der Bedarfssätze vor. Dies, obwohl der Ministerin das Geld dafür eigentlich zur Verfügung steht.

»Studentische Armut ist real. Mehr als ein Drittel aller Studierenden lebt unter prekären Bedingungen«, äußerte sich der designierte Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, bei Vorlage der Studie. »In vielen Städten ist mit dem BAföG die Miete größtenteils weg, und alles andere noch nicht bezahlt.« Grundlage der Untersuchung sind Daten einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2023. Demnach gelten 35,6 Prozent aller Hochschüler als »armutsgefährdet«, müssen sich also mit weniger als 60 Prozent des allgemeinen Durchschnittseinkommens durchschlagen. Verglichen mit der Armutsquote der Gesamtbevölkerung ist die unter Studierenden damit zweieinhalbmal so hoch. Vielen stehe »finanziell das Wasser bis zum Hals«, erklärte am Mittwoch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks (DSW), Matthias Anbuhl. 37 Prozent müssten laut DSW-Sozialerhebung mit weniger als 800 Euro im Monat auskommen. Und trotzdem wolle Stark-Watzinger Nullrunden beim Regelsatz und der Wohnkostenpauschale. Mit Blick auf eine womöglich erst 2026 anstehende nächste BAföG-Novelle wären das dann »vier Jahre Stillstand«, so Anbuhl.

Heute beziehen unter zwölf Prozent aller Studierenden staatliche Ausbildungshilfe, während es vor zwölf Jahren noch knapp 19 Prozent waren. Hauptursache für den Schwund: Die Mittel decken seit langem nicht annähernd den Bedarf, immer weniger wollen sich deshalb das stressige Antragsprozedere sowie den Verschuldungsdruck zumuten. Die Hälfte der Zuwendungen wird nur als Darlehen bewilligt. Die Linke im Bundestag und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern die Umstellung auf einen Vollzuschuss. Dagegen will die Ministerin die Höchstgrenze an BAföG-Schulden sogar von rund 10.000 Euro auf 11.550 Euro und die monatliche Rückzahlungsrate von 130 Euro auf 150 Euro anheben. Das sei »völlig inakzeptabel«, befand der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller gestern in einer Stellungnahme.

Seit der zurückliegenden Reform vom Herbst 2022 liegt der BAföG-Regelsatz bei 452 Euro und damit deutlich unter dem aktuellen Satz des Bürgergeldes von 563 Euro, den die Bundesregierung als soziokulturelles Existenzminimum definiert. Mit 360 Euro bleibt auch der Mietkostenzuschuss weit hinter den Erforderlichkeiten zurück, in den meisten Städten mit Hochschulen werden fürs Wohnen sehr viele höhere Kosten aufgerufen. Dabei sind gerade die allein oder in einer Wohngemeinschaft Lebenden besonders gebeutelt. Von ihnen gelten laut der Studie des Paritätischen 80 Prozent als von Armut betroffen. Der Verband hatte vor zwei Jahren schon einmal die Armutsquote unter Studierenden auf Basis des Jahres 2020 kalkuliert. Damals betrug der Wert noch 30,3 Prozent.

Die gestern im Parlament angehörten Sachverständigen haben sich in großer Mehrheit für einen substanziellen Nachschlag beim BAföG ausgesprochen und zudem eine regelmäßige Anpassung der Leistungen empfohlen. Überdies droht der Haushaltsausschuss auf Initiative der SPD und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit einer Mittelsperre, sollte Stark-Watzinger den fürs BAföG zusätzlich bewilligten Finanzrahmen von 150 Millionen Euro nicht ausschöpfen. Die Ministerin will davon im laufenden Jahr nur 62 Millionen Euro nutzen.

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