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Aus: Ausgabe vom 06.06.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Ein Sack Kartoffeln für den Bastard

Der wilde Westen in Jütland: Nikolaj Arcels Historiendrama »King’s Land«
Von André Weikard
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Pferdeoper in Jütland: Mads Mikkelsen hoch zu Ross

Was könnte öder sein als die jütländische Heide? Und ein dänisches Historiendrama aus dem 18. Jahrhundert, mehr als zwei Stunden lang? Ganz falsch. »King’s Land« ist beides und bestes Kino außerdem. Und das geht so: Der Exsoldat Ludvig von Kahlen (Mads Mikkelsen) wird mit einem tollkühnen Plan bei der dänischen Regierung vorstellig. Er will die Heide urbar machen. Weil das Generationen von erfahrenen Kolonisten vor ihm nicht gelungen ist, wird er von den parfümierten Perückenträgern herzlich ausgelacht. Von Kahlen, ein skandinavischer Kolumbus, bleibt aber hartnäckig und bietet sein ganzes bescheidenes Vermögen für die Mission auf, wenn ihm dafür ein Adelstitel in Aussicht gestellt wird. Weil König Frederik V. ein Faible für die Besiedlung der Heide hat, schickt man den Mann auf das Himmelfahrtskommando. Denn der Heidesand ist nicht nur wenig ertragreich, die Gegend wird zudem noch von wilden Tieren bevölkert und allerlei Gesetzlosen dazu.

Doch von Kahlen hat ein Ass im Ärmel, oder besser gesagt, ein paar Kilo Kartoffeln im Sack. Die in Europa noch weitgehend unbekannte Knolle wächst nämlich auch auf kargen Böden und könnte einer Heidesiedlung ein Auskommen ermöglichen. Wenn da nicht der örtliche Adlige Frederik de Schinkel (Simon Bennebjerg) wäre. Der Sadist hat kein Interesse daran, dass in seiner Nachbarschaft eine neue Siedlung entsteht und schon gar keine, die direkt dem König unterstellt wäre. Wer hat schon gerne einen Monarchen zum Nachbarn?

Und so sabotiert er von Kahlen. Zwischen den beiden ungleichen Männern, dem brutalen Adelsspross und dem verhärmten Soldaten, entspinnt sich ein ungleiches Duell. Während der Pionier zu Anfang im Zelt haust und die braun-lila Heide mit Händen durchwühlt, um eine Stelle zu finden, die wenigstens ein wenig mit Erde durchsetzt ist, foltert der Spanferkel schlemmende Geldsack Männer zu Tode, die für von Kahlen arbeiten.

Regisseur Nikolaj Arcel, neben Krimidrehbüchern auch verantwortlich für das Skript zu Lars von Triers »Melancholia« und Regisseur des Historienfilms »Die Königin und der Leibarzt« , ist damit eine Erzählung gelungen, in der die Willkür und Brutalität der Ständegesellschaft ausgestellt wird, wie sonst vielleicht nur in Stanley Kubricks Klassiker »Barry Lyndon« (1975). Ihm stand dabei mit Mads Mikkelsen ein Hauptdarsteller zur Verfügung, der mit seinem Fatalistengesicht die Figur des von Kahlen so kantig wie undurchsichtig macht. Denn im Laufe des Dramas wird der stoische von Kahlen, der lange jeden Rückschlag und jede Provokation seines Widersachers duldet, auch zum Verrat an Freunden und Geliebten gereizt, um seine Mission zu retten. Den unvermeidlichen Rachefeldzug zum Finale beherrscht der »Michael Kohlhaas«-Darsteller Mikkelsen sowieso. Dafür gab es dann den Europäischen Filmpreis als bester Darsteller.

Das Drama aus Dänemarks wildem Westen steht den US-Western in nichts nach, was großzügige Landschaftsaufnahmen, schmallippige Dialoge und Härte angeht. Der Kampf von Kahlens gegen de Schinkel ist ein Klassenkampf, ein Aufbäumen des durch Geburt benachteiligten Machers gegen die Mächtigen. Von Kahlen, der zunächst so vieles opfert, um in der gesellschaftlichen Rangordnung aufzusteigen, lernt im Laufe des Dramas, die Hierarchie zu verachten, die Regeln zu brechen, das Hamsterrad zu zerstören. Im Originaltitel von »King’s Land« steht dieses Thema denn auch im Zentrum. Der lautet »Bastarden«, »Der Bastard«.

»King’s Land«, Regie: Nikolaj Arcel, Dänemark/Schweden/Norwegen/BRD 2023, 127 Min., Kinostart: heute

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