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Aus: Ausgabe vom 07.06.2024, Seite 5 / Inland
Energiewende

Naturschutz, Adel und die AfD. Eindrücke vom Kommunalwahlkampf in Brandenburg

Von Alexander Reich
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»Aber doch nicht im Landschaftsschutzgebiet!« (Windrad in Brandenburg)

Wo immer der Frust groß genug ist, setzt sich die AfD obendrauf. Zur Not macht sie auch auf Naturschutz. Und so hängen vor der Kommunalwahl am Sonntag in der brandenburgischen Gemeinde Halbe in jedem Dorf AfD-Plakate mit Windrad-Icons und dem Slogan »Naturpark statt Windpark«. Bis zu 34 Windkraftanlagen sollen hier im Naturschutzgebiet errichtet werden. Jede 260 Meter hoch. Die Gemeindevertretung hat das einstimmig so beschlossen.

Windkraft könnte in der Region auch außerhalb des Naturparks Dahme-Heideseen gewonnen werden, aber das wäre für die Gemeinde weniger lukrativ. Sie ist pleite. Schon länger. Da erscheinen 800.000 Euro im Jahr als ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Auf den Tisch gelegt haben es die Projektentwickler von der Energiequelle GmbH aus Bremen. Bedingung für den Geldregen ist die Kooperationsbereitschaft der Gemeinde.

Es gäbe noch einen weiteren Profiteur: den Besitzer des Waldes, der für die Windräder abgeholzt werden müsste. »Der Hauptflächeneigentümer des Waldes ist mit uns bereits vertraglich gebunden, richtig«, bestätigte die Energiequelle GmbH gegenüber jW. Es handelt sich um Hermann Graf von Hatzfeldt, den größten Privatwaldbesitzer von Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Sein Wohnsitz ist ein Wasserschloss, in dem 2002 eine berühmte Tante das Zeitliche segnete, Marion Gräfin Dönhoff.

Der Graf, dem mehr als 150 Qua­dratkilometer Wald gehören, gilt als herausragender »Ökomanager«. Und wer würde nicht gern die Welt retten, wenn er sich dabei die Taschen vollmachen könnte mit Pachtverträgen für Windkraftanlagen? Angesichts der Dimensionen, in denen auf Schloss Crottorf gedacht wird, sind Naturschutzgebiete im Osten wohl zu vernachlässigen.

Dabei sind die nicht eben klein. Es war ein Clou der Ostnaturschützer, dass sie im »Einigungsprozess« große Teile der DDR vor der Ausplünderung bewahrten. »Sie haben mitten in der Nacht im Prinzip ein Drittel der Landesfläche unter Landschaftsschutz gestellt, die Gegner haben alle gepennt. Das war so’n Husarenstück letztendlich von dem Professor (Michael) Succow … geht alles übern Jordan jetzt, nichts ist mehr heilig.« So sagt es Matthias Rackwitz, der Regionalvorsitzende des NABU.

Als wir über die Dörfer der Gegend fahren, in der Rackwitz seit 50 Jahren lebt, ärgert er sich über die Verunstaltung eines Riesenplakats der Grünen-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. Jemand hat mit riesigen Buchstaben »Kinderficker« draufgekrakelt – dadurch komme der sehr viel treffendere Aufkleber nicht mehr richtig zur Geltung, sagt Rackwitz. Und tatsächlich, man muss zweimal hingucken: »Kriegstreiber« klebt da auf dem Mund von Terry Reintke.

Im Gegensatz zur AfD hält Rackwitz Windräder für notwendig. Ihm scheint es damit ernster als den Grünen in Regierungsverantwortung. »Aber doch nicht im Landschaftsschutzgebiet!« Dort sei die Errichtung von Anlagen seit 2022 auch nur erlaubt, wenn ein »Flächenbeitragswert« in der Region unterschritten werde. Die hier vor Ort zuständige »Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald« habe längst einen Entwurf veröffentlicht, mit dem das definierte Flächenziel von 2,2 Prozent auch außerhalb von Landschaftsschutzgebieten erreichbar wäre. Sobald dieser »Teilregionalplan« in Kraft trete, sei das Aufstellen von Windrädern im Naturpark unzulässig. Aber das könne dauern. Die Mühlen mahlten langsam. Gut möglich, dass die arme Gemeinde und der reiche Graf in dieser Zeit vollendete Tatsachen schaffen.

Rackwitz will mit der AfD »nichts zu tun haben«. Diese Typen seien für Krieg, hätten »von nichts eine Ahnung« – er macht sich da keine Illusionen. Aber sie seien in der Lokalpolitik derzeit halt die einzigen, die nicht »wie die Lemminge den Windrad-Euros hinterherrennen«. Soll er nun also hoffen, dass bei der Kommunalwahl am Sonntag die jetzigen Gemeindevertreter von AfD-Kandidaten abgeräumt werden? Die könnten schnell ihr Herz für Windrad-Euros entdecken, meint er. Aber Naturparks mit »antifaschistischen Windrädern« zu pflastern, sei auch keine Lösung.

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