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Aus: Ausgabe vom 07.06.2024, Seite 6 / Ausland
Chile

Kommunist hinter Gittern

Chile: Bürgermeister werden Bestechung und Insolvenzdelikte vorgeworfen – wegen Volksapotheken. Der Vorwurf des Lawfare steht im Raum
Von Carmela Negrete
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Tausend Gitarren für Daniel Jadue: Kreativer Soliprotest für den Kommunisten am Dienstag in Santiago de Chile

Daniel Jadue, kommunistischer Bürgermeister der Gemeinde Recoleta in Santiago de Chile, befindet sich seit Montag in Untersuchungshaft. Die Begründung der chilenischen Justiz: Er stelle »eine Gefahr für die Gesellschaft« dar. Der Politiker der Kommunistischen Partei Chiles (PCCh) ließ am Mittwoch in einem Brief mitteilen, dass er diese »unverhältnismäßige Maßnahme« anfechten werde. Ihm werden Bestechung, Betrug gegen den Staat und Insolvenzdelikte vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis. Der Fall hat eine Welle der Empörung in dem südamerikanischen Land ausgelöst, denn dieses Vorgehen ist alles andere als üblich. In ähnlichen Fällen wird gewöhnlich Hausarrest angeordnet.

Jadue, der nun 120 Tage in Präventivhaft bleiben muss, und seine Genossen sprechen von einer Lawfare-Kampagne. »Ich danke von Herzen für die Solidarität und die Zuneigung, die mir die Kraft geben, diese schwere Zeit durchzustehen«, schrieb er in dem Brief weiter. Außerdem erklärte er, dass er ruhig, aufrecht und »für die kommenden Kämpfe bereit« sei. In Lateinamerika sind solche Schmutzkampagnen gegen viele linke Politiker organisiert worden. Dabei wird ein juristischer Fall gerichtlich inszeniert und medial aufgebauscht, um sich danach als unbegründet herauszustellen. Trotzdem bleibt ein Imageschaden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit drei Jahren gegen Jadue und fünf weitere Mitarbeiter der von ihm gegründeten Initiative Achifarp, die sogenannte Volksapotheken unterstützt. Jadue hatte sie in seinem Bezirk eingeführt. Sie bieten rabattierte Medikamente für die Ärmsten an. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, Finanzberichte verschleiert zu haben. Während der Coronapandemie seien Tausende von Hilfsgütern wie Masken, Thermometer, Handschuhe und Einwegkittel für über eine Milliarde chilenischer Pesos gekauft, jedoch weitestgehend nicht genutzt worden. Jadue erklärte, dass seine Arbeit gegen die Armut viele Privilegierte in Chile geärgert habe. Sicherlich ist eine solche Politik nicht im Interesse großer Pharmaunternehmen, die ihre Gewinne dadurch in Gefahr sehen können.

Richterin Paulina Moya erklärte am Montag, dass »das Tribunal bei seiner Entscheidungsfindung keine Zugehörigkeiten oder politischen Ideologien berücksichtigt«. Jadues Anwalt Ramón Sepúlveda hingegen erklärte, dass man jahrelang Korruptionsfälle von Politikern anderer politischer Lager wie der Rechten gesehen habe, bei denen es um große Summen ging, und das einzige Mal, wenn ein Linker angeklagt werde, wird er »in Untersuchungshaft genommen, ohne einen einzigen Peso in der Tasche zu haben«. Für ihn »in gewisser Weise eine Verhöhnung des Systems«, denn es sei offensichtlich, dass der Bürgermeister von Recoleta keine Gefahr für die Gesellschaft darstelle.

Die spanische Kommunistische Partei (PCE) solidarisierte sich in einer Mitteilung vom Mittwoch mit dem Linkspolitiker. Sie schreibt, dass die »Verfolgung und die Anordnung der Untersuchungshaft gegen Jadue ein Beweis für das Zusammenspiel der chilenischen Staatsanwaltschaft und Justiz mit den großen Pharmaunternehmen des Landes« sind. Weiter weist sie auf die Notwendigkeit von Reformen »in einem Justizsystem mit klaren Überresten der pinochetistischen Diktatur« hin.

Die kommunistische Partei Jadues gehört der regierenden Wahlkoalition von Präsident Gabriel Boric an. Bei den Vorwahlen trat er gegen den Sozialdemokraten an. Und obwohl Jadue ein bekannter Kritiker Borics ist, könnte der Fall auch dem Präsidenten schaden.

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