Krach um Lieferkettengesetz
Von Oliver RastWar es ein Alleingang? Offenbar. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck riskiert abermals Krach in der Ampelkoalition, berichtete dpa am Sonntag. Der Grünen-Politiker hatte am Freitag auf dem »Tag des Familienunternehmens« in Berlin vorgeschlagen, das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen, solange bis das EU-Recht umgesetzt ist. Und: »Der Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards wird nur dann erfolgreich sein, wenn Vorgaben auch bei den Unternehmen Akzeptanz finden«, so Habeck weiter.
Seit dem 1. Januar 2023 ist in Deutschland das »Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz« in Kraft. Das EU-Lieferkettengesetz wird hingegen erst 2032 vollumfänglich gelten. Mittels dieses Gesetzes können Großunternehmen, die etwa von Kinder- und Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren, zur Rechenschaft gezogen werden.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lehnte am Sonnabend Habecks Vorstoß ab. Seine Fraktion werde sich nicht an einer pauschalen Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes beteiligen. Die SPD habe jahrelang für dieses Gesetz gearbeitet. »Wir werden diese Anstrengungen nicht so einfach über Bord werfen.« Irritiert sei er darüber, dass ein Ressortchef glaube, eigenmächtig geltendes Recht außer Kraft setzen zu können, bemerkte der Sozialdemokrat.
Applaus kam hingegen vom hiesigen Kapital. »Es ist überfällig, das deutsche Lieferkettengesetz jetzt aufzuheben und die europäische Richtlinie nur in schlanker Form umzusetzen«, wurde der Hauptgeschäftsführer der »Arbeitgeber«vereinigung BDA, Steffen Kampeter, am Sonnabend in einer Stellungnahme zitiert. Wolfgang Große Entrup vom Verband der Chemischen Industrie sekundierte: Firmen brauchten dringend Entlastung. »Der Vorschlag von Habeck kommt zur rechten Zeit.« Gegen einen »deutschen Übererfüllungswahn«.
Widerspruch äußerte Verdi. »Menschenrechte dürfen nicht auf dem Altar politischer Gefälligkeiten geopfert werden, um gut Wetter bei den Wirtschaftsverbänden zu machen«, betonte Gewerkschaftschef Frank Werneke am Freitag in einem Statement. Mehr noch, ein Kotau vor Kapital- und Lobbyinteressen ginge zu Lasten des Schutzes und des Respektes von Beschäftigten weltweit. Das sei ein absolutes No-Go des ministeriellen »Alleingängers« Habeck.
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Ein Beispiel: Jahrzehntelang haben Milka, Lindt und Co. billigend in Kauf genommen, dass die Kakaobauer*innen in Westafrika in Armut leben. Ausgerechnet die Menschen, die den wichtigsten Rohstoff für Schokolade in mühevoller Handarbeit anbauen. (Pro Kopf konsumierten deutsche Verbraucher über neun Kilogramm Schokolade im Jahr.) Die Armut von Kakaobauer*innen ist die Hauptursache für Kinderarbeit. Noch immer arbeiten 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen an der Elfenbeinküste und Ghana. Die Unternehmen sind mitverantwortlich für die Situation der Kakaobauer*innen, deren Situation sich durch den Klimawandel weiter verschlechtert. Wenn das Geld schon kaum zum Leben reicht, wie soll man sich dann gegen Krisen absichern? Kakaobauer*innen brauchen faire Kakaopreise!
Deshalb fordere ich von Dr. Habeck, das deutsche Lieferkettengesetz nicht auszusetzen!
Bei meiner ehrenamtlichen Arbeit im Weltladen Weimar ist mir die Forderung vom brasilianischen Erzbischof Dom Helder Camara (1909–1999) sehr wichtig: »Eure Almosen könnt Ihr behalten, wenn Ihr gerechte Preise zahlt!« Das heißt, wenn die Menschen von ihrer Arbeit leben können, bleiben sie zu Hause und werden nicht zu Migranten.