Wende in Tarifrunde im Einzelhandel
Von Gudrun GieseNach zwei Jahren harter Auseinandersetzung nähert sich die Tarifrunde im Einzelhandel ihrem Ende. Der Durchbruch gelang am 8. Mai in der Tarifregion Hamburg. Dort einigte sich der Landesfachbereich der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit der Unternehmensseite auf Entgelterhöhungen für die rund 90.000 sozialversicherungspflichtig angestellten Einzelhandelsbeschäftigten in der Hansestadt.
Inzwischen haben weitere Regionen nachgezogen: Niedersachsen/Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und als vorerst letzter Landesbezirk Baden-Württemberg am 6. Juni. Die Erhöhungen für die Beschäftigten und die Laufzeit fallen dabei in etwa identisch aus. Löhne und Gehälter werden in mehreren Stufen erhöht, es gibt eine Inflationsausgleichsprämie, überdurchschnittliche Anhebungen der Ausbildungsvergütungen und mehr Geld für die tarifliche Altersvorsorge. Die Laufzeit der vereinbarten Tarifverträge liegt mit 36 Monaten allerdings erheblich über der ursprünglich von der Gewerkschaft geforderten zwölfmonatigen. Die hätte dann jedoch bedeutet, umgehend in die nächste Tarifrunde einzusteigen, was angesichts der kräftezehrenden Auseinandersetzung mit vielen Arbeitskampfaktionen wohl unrealistisch wäre.
In Hamburg werden die Entgelte rückwirkend zum 1. Oktober 2023 um 5,3 Prozent, zum 1. Mai dieses Jahres um 4,7 Prozent und zum 1. Mai 2025 um weitere 40 Euro plus 1,8 Prozent erhöht. Der Satz für die tarifliche Altersvorsorge, der bisher bei 300 Euro im Jahr lag, steigt zum 1. Januar 2025 um 120 Euro. Vollzeitangestellte erhielten zum 1. Juni eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 Euro, Teilzeitkräfte einen anteiligen Betrag. »Die Beschäftigten haben endlich mehr Geld in der Tasche und eine spürbare Entlastung angesichts der gestiegenen Preise«, sagte Heike Lattekamp, Verhandlungsführerin und Vizelandesbezirksleiterin von Verdi Hamburg, zum Abschluss. Für Baden-Württemberg erklärte Wolfgang Krüger, der zuständige Verhandlungsführer für die Gewerkschaft: »Die nun vereinbarten Tariferhöhungen ergeben kräftige, zweistellige Entgeltsteigerungen.« Verkäuferinnen und Verkäufer, die zu ungefähr zwei Dritteln die Beschäftigten im Einzelhandel ausmachten, bekämen eine tabellenwirksame Anhebung ihrer Löhne und Gehälter von insgesamt 13,7 Prozent. In den unteren Entgeltgruppen betrügen die Tarifsteigerungen bis zu 15,6 Prozent. »Mit dem nun erzielten Tarifergebnis können wir sehr zufrieden sein.«
Erleichtert hatte sich Silke Zimmer, für den Handel zuständiges Verdi-Bundesvorstandsmitglied, nach dem in Hamburg erzielten Durchbruch bei den Tarifverhandlungen gezeigt. »Das war lange überfällig«, erklärte sie. »Die Kolleginnen und Kollegen haben ein Jahr hart gekämpft.« Damit war die Tarifrunde eine der schwierigsten, die es im Handel jemals gegeben hat. Zimmer lobte ausdrücklich die große Kampfkraft, die die aktiven Beschäftigten bei zahlreichen, oft bundesweiten Streiks gezeigt hätten. Sie hätten mit ihrer Hartnäckigkeit letztlich die Tarifabschlüsse möglich gemacht. So sei es Tausenden von Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, dass die Einzelhandelsbeschäftigten nun »wieder unter dem Schutz eines rechtsverbindlichen Tarifvertrages stehen«. Zwar hatten die meisten Handelsunternehmen im Verlauf der zähen Tarifrunde die Entgelte erhöht. Doch diese sogenannten freiwilligen Anhebungen sind komplett unverbindlich und können auch wieder gestrichen werden.
Noch keinen Abschluss gibt es derzeit im Groß- und Außenhandel. Dort soll Mitte Juni in Bayern, Ende des Monats in Sachsen-Anhalt sowie Anfang Juli in Thüringen und Sachsen wieder verhandelt werden.
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