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Aus: Ausgabe vom 10.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wunsch und Wirklichkeit

Eine weitere Kriegskonferenz

BRD-Regierung und Kiew organisieren erneutes Unterstützertreffen zum »Wiederaufbau in der Ukraine« in Berlin
Von Klaus Fischer
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Berlinbesuch: Drei, die in Permanenz konferieren, um die Militärmaschine am Laufen zu halten

In dieser Woche wird in Deutschland wieder ein politisches Zeichen gesetzt. Am Dienstag und Mittwoch treffen sich in Berlin »mehr als 2.000 Teilnehmer aus 60 Ländern« zu einer Konferenz zum »Wiederaufbau in der Ukraine«, wie Auswärtiges Amt und Bundesentwicklungsministerium am Freitag mitteilten. Ziel sei es, dass dabei »langfristige Vereinbarungen und internationale Initiativen in Bereichen wie der Unternehmensförderung und Fachkräfteausbildung entstehen«, berichtete Reuters am Freitag.

Es ist nicht das erste derartige Treffen. Bereits 2022 hatte Berlin eines organisiert, 2023 war es der russophobe britische Staat, der ein entsprechendes Publikum nach London eingeladen hatte. Was zunächst als vorweggenommene ökonomische Siegesfeier anmutete, hat sich inzwischen in eine Art propagandistische Durchhalteaktion verwandelt. Denn welche politischen und wirtschaftlichen Intentionen für eine solche Konferenz auch existieren mögen – eines haben sie gemeinsam: Sie leugnen die Realität.

Das scheint inzwischen Alleinstellungsmerkmal aller westlichen Aktivitäten gegen Russland zu sein. Während russische Truppen an der Donezker Front die ukrainische Verteidigung durchbrechen, Russlands Wirtschaft signifikant wächst und ein Großteil der Staaten des »globalen Südens« sich weigern, der westlichen Allianz gegen Moskau beizutreten, setzen USA und EU auf hektische Aktivitäten, um wenigstens so zu tun, als könnten sie die erwartbare militärische Niederlage Kiews aufhalten.

So sucht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht sehr erfolgreich Bundesgenossen für sein Vorhaben, NATO-Militär in die Ukraine zu entsenden – zu »Ausbildungszwecken«. Und die EU-Kommission informierte am Freitag darüber, dass die Ukraine inzwischen alle Bedingungen für die Aufnahme formeller Beitrittsgespräche erfüllt habe. »Jetzt liegt die Entscheidung in den Händen der Mitgliedstaaten«, hieß es von einem Sprecher der Kommission.

In Berlin wurde immerhin mitgeteilt, dass das aktuelle Berliner Treffen keine »Geberkonferenz« sein werde. Statt dessen wolle man durch »Vernetzung der Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kommunen« jetzt »langfristige Vereinbarungen und internationale Initiativen in Bereichen wie der Unternehmensförderung und Fachkräfteausbildung entstehen« lassen, hieß es. Die Bundesregierung werde der Ukraine »auf ihrem Weg der Reform und des Wiederaufbaus mit aller Kraft unter die Arme greifen«, zitierte Reuters Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen).

Selbstverständlich haben westliche Unternehmen Interesse am Ukraine-Geschäft. Profite sind eine starke Motivation – insbesondere, wenn die Staaten Ausfallgarantien für private Investitionen geben. Trotz des Krieges planten rund 43 Prozent, ihr Engagement fortzusetzen, nur acht Prozent wollten deinvestieren, berichtete Reuters und bezog sich auf eine Umfrage der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine). Dafür seien mit der Beratungsfirma KPMG 142 Firmen befragt worden.

Allerdings ist rationales Denken bei den entsprechenden Managern ebenfalls nicht besonders ausgeprägt: So erwarteten »etwa 42 Prozent der Betriebe«, dass sich »die wirtschaftliche Lage in der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten bessert«, schrieb Reuters. Rund 48 Prozent rechnen mit keiner Veränderung, während zehn Prozent eine Verschlechterung befürchten. Deutsche Unternehmen schätzen das aktuelle Geschäftsklima für die Ukraine »gemischt« ein. Immerhin bewerten 24 Prozent die Lage als gut, aber genauso viele als schlecht. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) hält sich eher bedeckt.

Doch die im Falle des Falles erwartbaren Geschäfte locken anscheinend weiterhin: »Die Ukraine ist eines der großen Länder Europas, hat qualifizierte Arbeitskräfte, vor allem die technisch-naturwissenschaftliche Ausbildung war immer gut«, zitierte Reuters den Geschäftsführer der AHK Ukraine, Reiner Perau. »Dazu kommen fruchtbare Böden und eine logistisch günstige Lage für Europa.« Das Land sei ein attraktiver Standort für Nearshoring – also das Verlagern von geschäftlichen Aktivitäten vom fernen ins nähergelegene Ausland, schwärmte der Lobbyist.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (9. Juni 2024 um 22:17 Uhr)
    »Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist«, lautet eine alte Weisheit. Dies gilt auch für die derzeitige Lage in der Ukraine. Niemand weiß, was nach dem Krieg von der Ukraine übrigbleiben wird. Schätzungen zufolge leben in der Restukraine derzeit nur etwa 24 Millionen Menschen, überwiegend alte Menschen und Kriegsversehrte. Mit wem will der Geschäftsführer der AHK dort zukünftig Geschäfte machen? Wäre es nicht angebracht, sich zunächst um eine Einfrierung des Krieges zu bemühen und erst danach über den Wiederaufbau zu sprechen, wenn ein Frieden in Sicht ist? Für mich sind solche realitätsfremden Nachrichten nicht anders als mediale Propaganda, die dazu dient, sinnlose Solidarität und Hilfe für die Ukraine weiterhin politisch aufrechtzuerhalten und durchzusetzen.

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