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Aus: Ausgabe vom 10.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Gesundheitspolitik

Big Business mit Kranken

USA: Profitgier auf Kosten von Patienten und Pflegekräften. Immer mehr häusliche Pflege von privaten Investmentfirmen kontrolliert
Von Alex Favalli
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Gebrechliche und Pflegebedürftige zahlen doppelt: An Investmentfirmen und mit ihrer Gesundheit

Der häusliche Pflegesektor in den USA, der essentielle Dienstleistungen für ältere und gehandicapte Menschen bietet, wird zunehmend von großen Versicherungsgesellschaften und privaten Investmentfirmen kontrolliert. Diese Unternehmen kaufen verstärkt Pflegeagenturen auf und blockieren Reformen, die sowohl Pflegekräften als auch Patienten zugute kommen könnten.

Investoren streben dadurch hohe Gewinne an, was zu steigenden Preisen für die Versicherten und stagnierenden Löhnen beim Personal führt. Laut dem Bureau of Labor Statistics sind die Preise für häusliche Pflege im letzten Jahr um fast 14 Prozent gestiegen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Versicherungsunternehmen und Investmentfirmen die fragmentierte Branche konsolidieren wollen, um so zentral über die Tarife bestimmen zu können und möglichen Wettbewerb auszuschalten.

Die Biden-Administration hatte im vergangenen Jahr die Einführung einer Regelung vorgeschlagen, nach welcher mindestens 80 Prozent der Versicherungsbeiträge an Pflegekräfte gehen müssten. Dadurch sollten die Löhne erhöht und der Arbeitskräftemangel gelindert werden.

Allerdings drohen Vertreter der Branche seitdem, sich aus einigen Märkten zurückzuziehen, sowie mit rechtlichen Schritten, die Lohnerhöhungen zu verhindern. Dafür wurde intensiv für politische Unterstützung lobbyiert: Bereits eine Woche nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs führte die republikanische Abgeordnete Kathryn Cammack im Repräsentantenhaus ein Gesetz ein, um die Umsetzung des 80-Prozent-Mandats zu blockieren.

Jessica Kopacz, eine Pflegekraft aus Illinois, schilderte am Donnerstag gegenüber der Zeitschrift Jacobin die Konsequenz dieses Vorgehens: »Diese Branche kämpft mit hoher Fluktuation, weil unsere Pflegekräfte einfach nicht genug bezahlt werden. Wenn Pflegekräfte den Beruf wechseln, um besser bezahlte Jobs zu finden, bleiben unsere Senioren ohne die notwendige Pflege.«

Häusliche Pflege kostet im Durchschnitt 40 Prozent weniger als die Pflege in einem Pflegeheim, die bis zu 100.000 US-Dollar pro Jahr kosten kann. Die Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS) haben deshalb Anreize geschaffen, damit mehr Menschen häusliche Pflege in Anspruch nehmen können, indem sie den Bundesstaaten erlauben, eine breite Palette von häuslichen und gemeindebasierten Dienstleistungen für Medicaid-Berechtigte anzubieten, die sonst institutionelle Pflege benötigen würden.

Große Versicherer wie United Health und Humana dominieren jedoch den Markt für häusliche Pflege, indem sie andere Ketten nach und nach aufkaufen. Die Federal Trade Commission prüft derzeit die Übernahme von Amedisys durch United Health für rund 3,3 Milliarden Dollar. Wird das Geschäft genehmigt, würde United Health zum größten Anbieter häuslicher Pflege in den USA, ein 150-Milliarden-Dollar-Markt, hochsteigen.

Die Folgen der Monopolisierung sind fatal: Um die Gewinne zu steigern, greifen Versicherer zunehmend auf Leistungsverweigerungen zurück, obwohl die Patienten regelmäßige Beiträge einzahlen. Außerdem erhöhen private Investmentfirmen durch die Marktbeherrschung die Preise, während sie sich gegen höhere Löhne wehren.

Personen, die sich für häusliche Pflege qualifizieren, sind besonders attraktiv für Versicherer, da die Leistungsempfänger häufig an drei oder mehr chronischen Erkrankungen leiden und deshalb für kurze, aber teure Krankenhausaufenthalte anfällig sind.

Da die CMS die höchsten jährlichen Raten für diese Leistungsempfänger zahlen, ermöglicht dies privaten Firmen, den Geldfluss als auch die Gewinnmargen zu kontrollieren, die sonst Krankenhäusern oder unabhängigen Anbietern häuslicher Pflege zugute kommen würden.

Patienten zahlen auch mit ihrer Gesundheit: Einer neuen Studie des Journal of the American Medical Association zufolge, schadet das Vordringen von privaten Unternehmen im Krankenhaussektor primär dem Wohlergehen der Patienten. Wer in privaten Krankenhäusern behandelt wurde, verzeichnete 25 Prozent mehr Wahrscheinlichkeit, einer Infektion ausgesetzt zu sein und unerwünschte medizinische Notfälle zu erleiden, als Patienten in Krankenhäusern ohne Private-Equity-Beteiligung.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (11. Juni 2024 um 19:42 Uhr)
    Das werden wir in dieser exzessiven menschenverachtenden »Westlichen-Werte«-Form ja dann wohl auch schon bald bei uns haben. – Es geht eben nichts über »Freedom and Democracy«!

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