Mixer von Rheinmetall
Von Matthias ReicheltIm Berliner Frauenzentrum affidamento, italienisch für Vertrauen, ist noch bis zum 30. Juni eine kleine empfehlenswerte Doppelausstellung mit Aquarellen von Andrea Freiberg und Acrylgemälden von Christine Kriegerowski zu sehen. Letztere widmet sich dem »bewaffneten« Alltag in Küche, Badezimmer und Wohnung. Im Zentrum stehen allzu bekannte Maschinen und Geräte aus dem Kontext Kochen, Sauberkeit und Hygiene, ohne die sie bedienenden Menschen. Besonders verstörend sind die Fonds mit Tarnmuster, vor denen die Geräte prominent und fast schon autarken Subjekten gleich schweben. Bekanntlich passieren die meisten Unfälle mit blutigen Verletzungen, manchmal gar mit Todesfolge in den eigenen vier Wänden. Das ließe sich süffisant-salopp als »Kriegsschauplatz Wohnung« apostrophieren. Aktuell verschiebt sich automatisch die Perspektive, aus der das Publikum auf Christine Kriegerowskis Bilder schaut. Es scheint, als spiele die Künstlerin auf die den gesellschaftlichen Alltag durchdringende Militarisierung an. Jede Körperzelle soll heute wehrhaft sein, warum also nicht gleich alle Küchen- und Hausgeräte in Stellung bringen? Wieso keine Mixer von Rheinmetall?
Andrea Freiberg stellt derweil Aquarelle aus ihrer Serie »Berliner Stillleben« aus. Die zeigen keine klassischen Sujets des Genres wie Obstschalen oder Vasen, sondern die Niederungen des Alltags. »Spax-Schraube mit Brett und Bleistiftstrichen« lautet der Titel eines Bildes, das unsere Aufmerksamkeit auf die Spur des unsichtbaren Heimwerkers richtet und damit ans Licht bringt, was letztlich verborgen bleiben soll. »Tote Taube auf Kopfsteinpflaster mit Zitronenscheibe«, lautet der eines anderen Blattes und wirft die diabolische Frage auf, ob hier sich noch jemand das Unfallopfer schmackhaft zubereiten wollte. Ist es eine 1:1-Übertragung des Beobachteten, wie bei Pleinairmalerei üblich? Oder ist der hintergründige Schalk auf seiten Andrea Freibergs zu suchen? »Schrankstillleben mit Ei« zeigt aus der Untersicht die obere Ecke des Möbels, auf dem neben einer Teekanne mehrere Gefäße stehen, an der Zimmerdecke darüber klebt ein Spiegelei. Hat sich hier die Künstlerin vom Surrealismus beeinflussen lassen, oder stellt sie »bloß« unserer Beobachtungsgabe auf die Probe?
Beide Künstlerinnen bringen mit Ironie, aber auch Sarkasmus Gewohntes in neue Kontexte und fordern unsere Assoziationskraft heraus.
Andrea Freiberg und Christine Kriegerowski: Weiße Ware und stille Leben. Frauenzentrum Affidamento, Richardplatz 28, 12055 Berlin, bis 30.6.2024
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