75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 2. Juli 2024, Nr. 151
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 10.06.2024, Seite 16 / Sport
Fußball

»Das ist der Beweis für unsere Existenz«

Solidaritätsspiel für Palästina: Fußball als Zeichen des Widerstands in Dublin
Von Mathias Dehne, Dublin
Unbenannt-1 Kopie.jpg
Mural des Streetart-Künstlerin ESTR in Erinnerung an Hind Rajab, Dalymount Park, Dublin

Hind Rajab, ein sechsjähriges Mädchen aus Gaza, lächelt den Fans auf dem Weg zum Stadion in Dublin entgegen. Ein Blumenkranz in den palästinensischen Nationalfarben schmückt ihr volles, dunkles Haar. Sie trägt ein rosa Shirt, das ebenso leuchtet wie der strahlend blaue Himmel. Doch ein Detail stimmt nachdenklich. Hinds Gesichtsfarbe ist grau. Nicht ohne Grund: Hind wurde im Januar dieses Jahres von den israelischen Streitkräften getötet. Umgeben von den Leichen ihrer Familienangehörigen, hatte sie stundenlang mit den Rettungskräften des Palästinensischen Roten Halbmonds telefoniert. Der Kontakt riss ab. Erst zwölf Tage später wurde das von Einschusslöchern durchsiebte Fahrzeug gefunden, in dem sich ihr Leichnam befand.

Das Mural, das Hind zeigt, sprühte Streetart-Künstlerin ESTR am 15. Mai dieses Jahres – dem 76. Jahrestag der Nakba – an eine Rückwand des Dalymount Park, jenes Stadions, in dem der Bohemian FC (Bohs) am selben Abend das palästinensische Frauennationalteam empfing. Durch das Benefizspiel sollten Unkosten für das palästinensische Team finanziert und Spenden gesammelt werden, so etwa für Aclaí Palestine, ein gemeinnütziges Fitnessstudio in Bethlehem. Tatsächlich war es aber weit mehr als »nur« Benefiz. Es war auch eine Premiere, denn die palästinensischen Spielerinnen kickten das erste Mal auf europäischem Boden.

Das Spiel war mit 4.390 Zuschauern restlos ausverkauft. Unter das Publikum hatte sich neben dem irischen Präsidenten Michael D. Higgins auch Richard Boyd Barrett gemischt. Der Politiker der trotzkistischen Partei »People Before Profit« tritt immer wieder öffentlich für die Rechte der Palästinenser ein. Mittags noch hatte er an einer Kundgebung der Aktivisten des propalästinensischen Protestcamps am University College Dublin teilgenommen. Auch von ihnen waren einige gekommen. Wir fanden die Zeit für ein kurzes Gespräch, unter anderem über die Situation propalästinensischer Proteste in Deutschland. Beiläufig äußerte Barrett, dass er via Zuschaltung auf dem Berliner ­Palästina-Kongress hätte sprechen sollen.

Zu Spielbeginn tauchten Tausende Palästina-Fahnen das gesamte Stadion in die Farben der Gastmannschaft. Immer, wenn das palästinensische Team vor das Tor der Bohs kam, ernteten die Spielerinnen tosenden Applaus. Zudem wurde mehrfach der Slogan »From the river to the sea« intoniert, der in Deutschland als antisemitisch gilt und mit staatlicher Repression geahndet wird. Weitere Sprechchöre forderten beispielsweise die Ausweisung des israelischen Botschafters – ein Anliegen, mit dem sich bereits das irische Parlament beschäftigte.

In der Halbzeitpause kam nach einigen Aufrufen zur Teilnahme an der Tombola auch ein Sprecher von Aclaí Palestine zu Wort. Er berichtete von seinen Erfahrungen im besetzten Westjordanland und betonte die Legitimität des Widerstands gegen die israelische Besatzung.

Und obwohl das Spielergebnis angesichts dieses Zeichens der Solidarität zur Randnotiz wurde, konnte das palästinensische Team nach anfänglicher Führung der Bohs die Partie mit 2:1 für sich entscheiden. Siegtorschützin Nour Youssef kickt derzeit in ihrer Geburtsstadt für den 1. FC Union Berlin. Dort existiert die europaweit größte palästinensische Diaspora-Community, für die die örtliche Politik allerdings wenig übrig hat.

Nach Spielende brachen alle Dämme. Die Torhüterin Charlotte Phillips erklärte im Beisein ihrer Großeltern unter Tränen: »Das ist der Beweis für unsere Existenz.« Auch der Sport wurde so zu einem Zeichen des Widerstands.

Großes Kino für kleines Geld!

75 Augaben für 75 €

Leider lässt die Politik das große Kino vermissen. Anders die junge Welt! Wir liefern werktäglich aktuelle Berichterstattung und dazu tiefgründige Analysen und Hintergrundberichte. Und das zum kleinen Preis: 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt erhalten Sie mit unserem Aktionsabo für nur 75 €!

Nach ablauf endet das Abo automatisch, Sie müssen es also nicht abbestellen!

Mehr aus: Sport