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Aus: Ausgabe vom 13.06.2024, Seite 7 / Ausland
EU-Wahlen

Eine progressive Stimme weniger

EU-Parlament: Irische Abgeordnete Daly nicht wiedergewählt. Sinn Féin von links unter Druck
Von Dieter Reinisch
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Markenzeichen der resoluten Irin: Palästina- und Assange-Solidarität (London, 20.2.2024)

Große Enttäuschung in Irland: Die angriffslustige EU-Abgeordnete Clare Daly hat ihren Sitz im EU-Parlament verloren. Das Ergebnis kommt nicht ganz überraschend. Es ist Resultat der sich auch in Irland zuspitzenden Krise für Politiker mit linken Inhalten. »Ich möchte allen danken, die für mich gestimmt haben, und allen Menschen, mit denen ich während meiner Zeit als Europaabgeordnete in Irland, in ganz Europa und darüber hinaus zusammenarbeiten durfte«, schrieb Daly in einer ersten Reaktion auf X, nachdem am Montag klar geworden war, dass sie nicht wieder ins Parlament in Brüssel einziehen wird.

Im Wahllokal bei der Auszählung weigerte sich Daly, mit den anwesenden Medien zu sprechen: »Sie haben sich in den vergangenen vier Jahren nicht für mich interessiert. Wieso soll ich also jetzt mit ihnen reden?« fragte sie im Vorbeigehen eine Korrespondentin des öffentlich-rechtlichen RTÉ, die ihr ein Mikrofon vors Gesicht hielt. Daly trat als Abgeordnete im EU-Parlament für die Solidarität mit Palästina und gegen jegliche finanzielle und materielle Unterstützung der Ukraine ein. Sie ist eine lautstarke Befürworterin der Neutralität. Dadurch war sie das Feindbild der bürgerlich-liberalen Presse, die in Editorials und Gastkommentaren die Werbetrommel für die NATO rühren – allen voran RTÉ, Irish Times und Irish Independent.

Daly stammt aus Dublin und war ab den 1980er Jahren Mitglied der trotzkistischen Socialist Party und später deren Gemeinderats- und Parlamentsabgeordnete, bevor sie sich von der Partei trennte und als unabhängige EU-Abgeordnete arbeitete. »Es war mir eine Ehre, diese Plattform als kraftvolle Stimme für Frieden, Antimilitarismus und Neutralität nutzen zu können«, schrieb Daly auf X, und machte klar: »Dieses Ergebnis ist keine Ablehnung dieser Ideen. Dass das Establishment mit solcher Kraft aufgetreten ist, um meine Chancen auf eine Wiederwahl zu gefährden, ist ein Beweis für den Erfolg und die Reichweite unserer Arbeit.« Sie verspricht, ihren politischen Kampf weiterzuführen.

Ihre Niederlage ist auch auf das schlechte Abschneiden anderer linker Kandidaten zurückzuführen. Denn Irland hat ein Stimmentransfersystem. In Dalys Wahlkreis trat auch die trotzkistische Kandidatin Bríd Smith an. Ihr schlechtes Ergebnis brachte der unabhängigen Politikerin zu wenige Transferstimmen, um gewählt zu werden – bei früheren Wahlen war das aufgrund der damaligen Stärke der Linken noch anders. Für die republikanische Partei Sinn Féin (SF) war der Wahltag ebenfalls »sehr enttäuschend«, wie die Partei kommentierte. »Wir hatten keinen guten Tag«, gestand Parteichefin Mary Lou McDonald ein. Bei den gleichzeitig angesetzten Regionalwahlen hatte sich SF einen Sieg mit 180 bis 200 gewählten Gemeinderäten erhofft. Geworden sind es dann trotz eines leichten Plus nur rund 100.

Überraschend stark hinzugewonnen haben die Social Democrats. Seitdem die aus Cork stammende Holly Cairns die Parteispitze übernommen hat, konnte sie die Partei mit klarer linkssozialdemokratischer Haltung in den Umfragen nach vorn bringen. Dümpelten die Soc Dems zuvor gleichauf mit der gemäßigten Labour Party und der trotzkistischen People Before Profit bei drei Prozent herum, liegen sie in Umfragen mittlerweile bei teilweise sogar sieben oder acht Prozent. Für viele stellen sie sich auch als glaubwürdigere linkssozialdemokratische Alternative zu SF dar. Denn die Republikaner führen in der Regierung in Nordirland Sozialabbau durch und haben sich in der Palästina-Solidarität eher zurückgehalten. Der Besuch der Parteispitze am Saint Patrick’s Day Mitte März im Weißen Haus bei Präsident Joseph Biden wurde von vielen in der Basis scharf kritisiert.

Cairns und ihre Soc Dems fordern dagegen eine deutliche Unterstützung Palästinas, die Ausweisung des israelischen Botschafters und die Annahme eines BDS-Gesetzes (Boycott, Divestment and Sanctions) im Parlament. Die traditionell propalästinensischen Iren danken es ihnen zunehmend an den Wahlurnen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (13. Juni 2024 um 11:30 Uhr)
    Dass Clare Dalys klare Worte in Brüssel nicht mehr zu hören sein werden, ist eine traurige Nachricht. Ich werde sie sehr vermissen. Sie war eine Europaabgeordnete, auf die man stolz sein konnte. Und eine, die auf sich stolz sein und bleiben kann.

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