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Aus: Ausgabe vom 14.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelspolitik

Das falsche Instrument

EU-Kommission kündigt hohe Strafzölle für Elektro-Pkw aus China an. Autoindustrie fürchtet Handelshemmnisse
Von Wolfgang Pomrehn
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»Skaleneffekte genutzt«: E-Autos vor dem Export nach Übersee in Suzhou in der Provinz Jiangsu

Die EU-Kommission droht der chinesischen Regierung, schon ab dem 4. Juli die Zölle auf Elektroautos aus der Volksrepublik deutlich anzuheben. Bis zu 38,1 Prozent sollen Importeure zahlen müssen, wenn mit Beijing keine andere Lösung gefunden werde. Bisher wird auf E- Autos aller Marken einheitlich eine Einfuhrgebühr von zehn Prozent erhoben. Künftig sollen auf Wagen von BYD 17,4 Prozent, bei Geely 20 Prozent und auf Produkte des langjährigen VW-Partners SAIC 38,1 Prozent draufgeschlagen werden. Die Kommission begründet ihr Vorgehen damit, dass »die Wertschöpfungskette für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (…) in China von unfairen Subventionen profitiert«. Herstellern in der EU entstehe dadurch ein wirtschaftlicher Schaden. Betroffen wären auch EU-Konzerne wie Daimler, VW oder Renault, die einen Teil ihrer E-Autos in China produzieren und von dort in die Union einführen. Für ihre Wagen würde ein Aufschlag von 21 Prozent fällig.

Nach den Lissabonner Verträgen ist die Kommission für die internationale Handelspolitik zuständig. Allerdings haben die neuen Zölle zunächst vorläufigen Charakter und sollen offensichtlich als Druckmittel in den Gesprächen mit den chinesischen Herstellern eingesetzt werden. Bevor sie permanent in Kraft treten könnten, müssten die Regierungen der Mitgliedsländer noch per qualifizierter Mehrheit zustimmen, das heißt, für die Annahme des Vorschlags der Kommission wäre die Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedsregierungen notwendig, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Die chinesische Regierung hatte die Vorwürfe bereits im Vorfeld der Brüsseler Ankündigung wiederholt zurückgewiesen. Entsprechend harsch fiel am Donnerstag die Reaktion aus: »China behält sich das Recht vor, bei der Welthandelsorganisation Klage einzureichen, und wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen entschieden zu verteidigen«, erklärte der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, He Yadong. Eine »für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit« werde durch diesen »offensichtlichen Akt des Handelsprotektionismus« gestört.

Kritik kommt auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und dem Verband der Automobilindustrie (VDA). »Zusätzliche Zölle auf E-Pkw aus China sind das falsche Instrument. Sie helfen nicht, die Klimaziele zu erreichen und die Transformation zu unterstützen. (…) Nur mit offenen, weltweiten Absatzmärkten können Skaleneffekte genutzt und in der Folge mehr E-Autos auf die Straßen gebracht werden«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der BDEW-Vorsitzenden Kerstin Andreae und der VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigte sich besorgt. »Die von der EU-Kommission angekündigten Zölle auf E-Autos aus China werden für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen bleiben«, warnt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Zum einen treffe dieser Schritt auch deutsche Autohersteller in China, zum anderen bahnten sich mit den angekündigten Gegenmaßnahmen Chinas weitere Handelshemmnisse für die deutsche Wirtschaft an. Ähnliches ist nach Agenturberichten aus den Konzernzentralen von VW und BMW zu hören. Treier hat derweil auch grundsätzliche Befürchtungen: »Die EU muss aufpassen, nicht zwischen die geopolitischen Mühlen seiner zwei wichtigsten Handelspartner zu geraten.«

Skeptische Stimmen sind auch aus der Bundesregierung zu hören, deshalb ist derzeit nicht unbedingt sicher, dass es in der EU eine qualifizierte Mehrheit für dauerhafte Strafzölle gäbe. Widerspruch kommt auch aus Stockholm und Budapest; die französische Regierung gehört hingegen zu den starken Befürwortern der neuen Zölle.

Nach einer Analyse der Rhodium Group hatten in der Volksrepublik hergestellte Elektro-Pkw 2023 einen Marktanteil von 19 Prozent in der EU. Etwa die Hälfte davon kam von chinesischen Herstellern und je 25 Prozent waren Teslas bzw. Produkte europäischer Autokonzerne.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Saltum (14. Juni 2024 um 19:17 Uhr)
    Zum Thema »chinesische Subventionen« ein Zitat aus »China und der Westen« von Wolfram Elsner, Seite 191: »Ein hervorragendes, jedoch weitgehend unbekanntes Indiz dafür, dass in China der Dominanz der Politik und ihrer Regulierungen auch große Konzerne unterliegen, liefern unregelmäßig McKinsey-Analysen des chinesischen Unternehmenssektors: Chinesische Unternehmen seien groß, produktiv und «resilient», hätten jedoch eine anhaltend geringere Profitrate als wesliche Unternehmen. Wie wir an anderer Stelle schon erwähnt haben, müssen chinesische Unternehmen Teile ihrer Profite nicht nur in höhere Investitions- und Innovationsaktivitäten, sondern zum Teil auch in Infrastruktruren und andere nationale Entwicklungsziele (Beschäftignung, Qualifikation, soziale Sicherung) investieren. McKinsey beziffert die im Vergleich zur globalen Durchschnittsrendite geringeren Profitraten der Konzerne in Chine mit (in absoluten Zahlen) gut 500 Milliarden US-Dollar.« Kurz: Die chinesische Politk zwingt die dortigen Unternehmen zu vernünftigen Leistungen, im Westen wird das zu »Subvention« verballhornt. Die wertewestlichen Pluokraten hätten allen Grund, das chinesische Modell zu fürchten. Allerdings nur, wenn es hier nicht so viele Ignoranten gäbe, die den China-Bashern auf dem Leim gehen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (14. Juni 2024 um 14:23 Uhr)
    Die EU hat Pläne veröffentlicht, den Import chinesischer Elektroautos mit horrenden Strafzöllen zu belegen. Das Argument lautete, die chinesische Regierung subventioniere deren Produktion und gefährde damit europäische Produzenten. Am selben Tag wandte sich die deutsche Wirtschaft mit der Forderung an die Regierung, umgehend ein Sondervermögen zur Förderung der Konkurrenzfähigkeit deutscher Industrien in Höhe von 400 Milliarden Euro einzurichten. Das heißt, in Europa sind solche Subventionen unter der Überschrift »Wirtschaftsförderung« völlig normal. Chinesische Wirtschaftsförderung aber sei eine völlige Unmöglichkeit. Und ein Zweites: Was ist eigentlich grundsätzlich dagegen einzuwenden, wenn eine Regierung den Übergang zur Elektromobilität fördert? Geschieht das in Deutschland etwa nicht? Was soll falsch daran sein, Elektroautos auch für Leute mit schmalem Geldbeutel zu produzieren? Anstatt mit deutschen Fördergeldern bei Tesla für eine Überproduktion von nicht absetzbaren Luxuskarossen zu sorgen. Klar: Hier waltet hochintelligente Wirtschaftspolitik. In China dagegen unfaire Subvention durch den Staat.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. Juni 2024 um 10:49 Uhr)
    »Mit Mauern ist das so eine Sache.« Mauern werden errichtet, um Feinde abzuwehren. Am Ende kann es aber passieren, dass sich die Erbauer der Mauer selbst einschränken. Die Mauern in der Wirtschaft sind die Zölle. So möchte die EU-Kommission nun Strafzölle gegen Elektroautos aus China verhängen. Weil die E-Autos aus China viel billiger sind als die europäischen. Man will damit die europäischen Autokonzerne schützen, die die Entwicklung der E-Mobilität verschlafen haben. Europa begibt sich damit auf eine gefährliche Gratwanderung. Die Gefahr, dass China mit Vergeltungszöllen antwortet, ist groß. Und damit auch die eines Zollkriegs zwischen dem zweit- und dem drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt. Den Preis für die Sonderzölle, wie immer, werden sowieso die Verbraucher zahlen! Gleichzeitig sinkt der Druck auf die europäischen Hersteller, günstigere und bessere Elektroautos auf den Markt zu bringen. Die chinesische Firma BYD, die bis 2030 zum größten Elektroautohersteller der Welt wird, baut eine Fabrik in Ungarn und dürfte bald eine weitere in Spanien ankündigen. Mit anderen Worten: Die chinesischen Autohersteller werden nicht verschwinden. Schließlich geht es nicht nur um die wirtschaftliche Zukunft eines schwächelnden Europas, sondern auch um die Entlastung der Luftverschmutzung in den Ballungsräumen: Je höher die Preise für Elektroautos steigen, desto weiter rückt die Aussicht auf eine schnelle Reduzierung der CO2-Emissionen zwangsläufig in die Ferne.

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