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Aus: Ausgabe vom 14.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Finanzkriminalität

Cum-ex-Betrüger größtenteils unbehelligt

Im größten Steuerraub der Geschichte der BRD ist erst ein Prozent der Beschuldigten angeklagt
Von David Maiwald
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Meister im Rauswinden: Der gedächtnisschwache Kanzler im August 2022 vor der Hamburgischen Bürgerschaft

Die Aufklärung des Cum-ex-Finanzskandals wird noch Jahre in Anspruch nehmen, wenn sie überhaupt jemals zu Ende geführt wird. Die Ermittlergruppe im größten Steuerbetrug der Geschichte der Bundesrepublik hat ihre Chefin, Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, verloren, und nur ein Prozent der Beschuldigten ist überhaupt angeklagt. Ein Sprecher der mit dem Fall befassten Staatsanwaltschaft Köln hat laut dpa vom Donnerstag erklärt, dass einige bekanntgewordene Straftaten bereits verjährt seien. Zwar drohe in den 120 bekanntgewordenen Fällen keine akute Verjährung, laut dpa sei aber noch nicht das gesamte sichergestellte Beweismaterial gesichtet. Brorhilker hatte Ende April fehlende Kontrollen von Banken und Aktiengeschäften moniert. Die Politik habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Fälle noch immer keine vernünftige Reaktion gezeigt, kritisierte die Juristin beim Wechsel zur »Bürgerbewegung Finanzwende«.

Eine Reaktion (oder die Pose einer solchen) ist der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) in der Hamburgische Bürgerschaft. Dort wurden am Mittwoch zwei Beweisanträge der Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Nun soll auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut vor dem PUA aussagen. Zudem soll Scholz’ Amtsnachfolger und Parteigenosse, der amtierende Bürgermeister Peter Tschentscher, befragt werden. Und jede Menge CDU-Politiker: die früheren Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und Christoph Ahlhaus, der Exfinanzsenator Wolfgang Peiner, Peter Harry Carstensen (Exministerpräsident von Schleswig-Holstein) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Bei den Befragungen soll es um die Cum-ex-Geschäfte der früheren Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, HSH Nordbank, gehen.

Das Geldhaus hatte sich, wie bei Cum-ex üblich, in 29 Fällen Kapitalertragssteuern erstatten lassen, die zuvor nicht gezahlt worden waren. Von der HSH beauftragte Ermittlungen der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance hatten die zwischen 2008 und 2011 getätigten kriminellen Geschäfte aufgedeckt. Die Bank zahlte 2014 nach einer Selbstanzeige rund 126 Millionen Euro an die Steuerverwaltung zurück. Die Ende 2018 auf Anweisung der EU-Kommission privatisierte Bank firmiert heute unter dem Namen Hamburg Commercial Bank. Auch deren Vertreter sollen vor dem PUA aussagen. Die Bürgerschaft legte am Mittwoch die Termine für die Zeugenbefragungen vom 5. Juli bis Dezember fest.

Scholz hat sich im Untersuchungsausschuss bislang im wesentlichen auf Erinnerungslücken berufen. Die Linke-Fraktion der Bürgerschaft hatte ihn im nachhinein der Lüge überführt. Vorgänge zu einem Treffen mit dem früheren Chef der Hamburger Warburg-Bank, Christian Olearius, seien »im einzelnen nicht mehr rekonstruierbar«, hatte die Regierung daraufhin erklärt. Von dort wurde Druck auf die einstige Chefermittlerin Brorhilker ausgeübt, wie auch aus der Kölner Generalstaatsanwaltschaft selbst, wie Recherchen des Sterns im Oktober 2023 ergaben. »Mit Rücksicht auf die Stellung« des Kanzlers sei »ein weiteres Zuwarten (…) nicht länger vertretbar« erschienen, hatte Brorhilker demnach bei Beendigung eines Prüfverfahrens zu »Ungereimtheiten in den Aussagen von Olaf Scholz« vermerkt.

Die neue Wirkungsstätte der ehemaligen Chefermittlerin monierte am Montag, die Aufarbeitung der Cum-cum-Geschäfte seien noch immer »am Anfang«. Der Schaden belaufe sich hier auf »mehr als 28 Milliarden Euro«. Anders als bei Cum-ex hätten sich dort »auch Sparkassen und Volksbanken« beteiligt, teilte die »Bürgerbewegung Finanzwende« mit. Die Verwicklung dieser vielfach per Satzung »dem Gemeinwohl verpflichteten« Institute in illegale Geschäfte habe eine »besondere Qualität«. Von »Finanzwende« nach Cum-cum-Geschäften gefragt, hätten zwei Drittel der 50 Sparkassen nur »unklare« oder überhaupt keine Antwort gegeben. Die Verbände müssten nun »endlich erklären, welche Banken sich in welchem Umfang an den Geschäften beteiligt haben«, forderte »Finanzwende«. Banken müssten die Geschäfte offenlegen »und die unrechtmäßig erzielten Profite zurückzuzahlen«.

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