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Aus: Ausgabe vom 15.06.2024, Seite 5 / Inland
Kritik an Umweltbundesamt

Vorgetäuschter Klimaschutz gefördert

Umweltbundesamt vergab Zertifikate für Fakeprojekte. Ölkonzerne besserten ihre CO2-Bilanz auf
Von Ralf Wurzbacher
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Mittelfinger für Shell: Demo von Klimaschützern am 31. Mai in Amsterdam

So macht Energiewende nur halb soviel Spaß. Das Umweltbundesamt (UBA) sieht sich deutlicher Kritik ausgesetzt, wegen der Zertifizierung von Klimaschutzmaßnahmen, die es offenbar gar nicht gibt. Dabei geht es um sogenannte Upstream-Emissionsreduktionsprojekte (UER), mit deren Förderung sich Mineralölkonzerne ihre Treibhausgasbilanz aufhübschen können. Nun zeichnet sich ab: Etliche der vom UBA testierten Unternehmungen existieren nur auf dem Papier. Unschön ist der Fall auch für die deutsche Diplomatie. Denn ausgerechnet China steht im Zentrum der Betrugsaffäre.

Am Mittwoch hat sich der Umweltausschuss des Bundestags auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit der Angelegenheit befasst und dazu den UBA-Präsidenten Dirk Messner angehört. Der bestätigte die Vorwürfe, wonach diverse Projekte im Reich der Mitte entweder frei erfunden sind oder schon bestehende Anlagen einfach als neu ausgewiesen wurden. Bisher seien von insgesamt 60 Projekten zwei rückabgewickelt und zwei, die sich noch in der Startphase befänden, gestoppt worden. Allerdings habe man 36 weitere als verdächtig eingestuft. In zehn Fällen gäbe es nach Prüfung von Satellitenbildern große Zweifel an deren Existenz, bei anderen seien fehlerhafte Angaben wahrscheinlich. Die Union hält dem UBA sowie dem Bundesumweltministerium (BMUV) vor, trotz schon vor Monaten eingegangener Hinweise durch chinesische Informanten nicht umgehend reagiert zu haben. Der Branche sei deshalb womöglich ein Schaden in Höhe von 4,5 Milliarden Euro entstanden.

Tatsächlich zahlen die Zeche andere. Ölkonzerne müssen in Deutschland eine Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) erfüllen. Unter anderem können sie seit 2018 Zertifikate von Projektträgern erwerben, die CO2-Einsparungen durch besagte UER-Projekte im Ausland realisieren. Zumeist zielen diese darauf ab, den Klimagasausstoß bei der Ölförderung zu reduzieren, indem anfallende Begleitgase nicht mehr abgefackelt, sondern anderweitig genutzt werden. Natürlich begleichen die Unternehmen die Kosten für die Zertifikate nicht aus ihren Profiten, sondern schlagen sie auf die Preise an der Tankstelle auf.

Verheerender noch sind die Vorgänge mit Blick auf die klimapolitische Performance der BRD. Einen »harten Schlag« beklagt laut Berliner Zeitung vom Freitag der »Bundesverband THG-Quote«. So soll es aufgrund der günstigen Fakeprojekte in Fernost zu einem »immensen Preissturz« bei den alternativen Kompensationsinstrumenten gekommen sein. Überdies würden Halter von Elektroautos mit geringeren CO2-Prämien abgestraft, moniert der Verband. Insgesamt seien »Investitionen in Deutschland und somit die gesteckten Klimaziele in der Verkehrswende« enorm gefährdet.

Bei der Bewilligung verlässt sich das UBA auf örtliche Zertifizierer. Damit das System funktioniert, müssten die zuverlässig und seriös arbeiten, hieß es im Umweltausschuss. Zwei Mitarbeiter von Validierungsfirmen stehen nun allerdings unter Verdacht, in einen möglichen Betrug involviert gewesen zu sein. Das »Hauptstadtbüro Bioenergie«, ein Bündnis von vier Verbänden aus dem Bereich Alternativenergie, hat bereits am Dienstag beanstandet, dass das UBA, welches seit August 2023 von Unregelmäßigkeiten Kenntnis hatte, bislang keine Kontrollen vor Ort veranlasst habe. Das Bündnis hat ein »sofortiges Moratorium und wirksame Sanktionen« angemahnt. »Um den Beitrag zum Klimaschutz anderweitig zu erreichen, müsste man 3,8 Millionen Pkw aus dem Verkehr ziehen«, sagte Leiterin Sandra Rosteck der Berliner Zeitung. »Wir sehen vor allem das Bundesumweltministerium in der Pflicht, rasch zu handeln und den Spuk zu beenden.«

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