Schiedsspruch gegen Gasprom
Von Knut Mellenthin![imago580775880.jpg](/img/450/196104.jpg)
Im Rechtsstreit mit dem russischen Gaslieferanten Gasprom Export kann der staatliche deutsche Energiekonzern Uniper, der als Großeinkäufer mehr als 1.000 Kommunen, Stadtwerke und Industrieunternehmen versorgt, einen Sieg verbuchen. Das Urteil eines Schiedsgerichts in Stockholm fiel nach Angaben der Uniper-Geschäftsleitung schon am 7. Juni, wurde von dieser aber erst am Mittwoch bekanntgegeben. Das Schiedsgericht sprach Uniper einen Schadenersatz von mehr als 13 Milliarden Euro und das Recht zu, alle noch bestehenden Verträge mit Gasprom, von denen einige angeblich noch bis 2035 in Kraft gewesen wären, einseitig zu kündigen. Davon machte Uniper sofort Gebrauch.
Der Energiekonzern hatte das Schiedsgericht am 30. November 2022 angerufen, weil Gasprom seinen Lieferverpflichtungen seit Juni desselben Jahres »nur noch eingeschränkt« und seit August gar nicht mehr nachgekommen sei. Dadurch sei Uniper – damals zunächst noch ein Privatunternehmen mit dem staatlichen finnischen Energieversorger Fortum als Mehrheitsaktionär – gezwungen gewesen, schnelle Käufe »zu extrem hohen Marktpreisen« zu tätigen, »um die eigenen Lieferverpflichtungen gegenüber seinen Kunden auf Grundlage der in der Vergangenheit vereinbarten Preise und Mengen erfüllen zu können«. Die dadurch entstandenen Mehrkosten »belaufen sich derzeit auf mindestens 11,6 Milliarden Euro und werden bis Ende 2024 weiter ansteigen«, hieß es in der Presseerklärung zur Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens. Diese Option wird oft in Verträgen mit Angabe des Gerichtsstandorts und des anzuwendenden nationalen Rechts – im aktuellen Fall war es Schweizer Recht – festgeschrieben.
Am 24. Februar 2022 hatte Russland den immer noch andauernden Krieg gegen die Ukraine begonnen. Es folgten mehrere, immer stärkere Wellen westlicher Strafmaßnahmen. Sanktionen gegen russische Gasexporte gibt es aber bisher nicht. Was lag der Einschränkung der Lieferungen im Juni 2022 zugrunde? Die russische Seite erklärte sie mit einer Reduzierung der Pumpleistung in der Nord-Stream-1-Pipeline, die auf Probleme von Turbinen des deutschen Siemens-Konzerns in einer Verdichterstation zurückzuführen seien. Durch die Verzögerung der notwendigen Wartungs- und Reparaturarbeiten komme es zu einer Senkung des Gasstroms durch die Pipeline um 40 Prozent.
Siemens Energy verwies darauf, dass zur Überholung nach Montreal geschickte Gasturbinen wegen kanadischer Sanktionen nicht in Russland verwendet werden dürften. Der Konzern habe die Regierungen Kanadas und Deutschlands informiert und arbeite an einer »tragfähigen Lösung«. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten wurden die Gasprom-Lieferungen durch die Nord-Stream-1-Pipeline am 31. August vollständig eingestellt. Am 26. September 2022 verübten immer noch Unbekannte einen Anschlag, bei dem beide Stränge von Nord Stream 1 und ein Strang der noch nicht in Betrieb genommenen zweiten Pipeline schwer beschädigt wurden.
Fünf Tage vor dem Sprengstoffanschlag, am 21. September, hatte die Bundesregierung sich auf ein erweitertes »Rettungspaket« geeinigt, nachdem die ersten »Stabilisierungsmaßnahmen«, die Uniper angesichts der gestiegenen Kosten und einer drohenden Insolvenz am 8. Juli beantragt hatte, offenbar nicht ausreichend gewesen waren. Am 29. August hatte der Konzern mitgeteilt, dass die gewährte Kreditlinie von neun Milliarden Euro ausgeschöpft sei. Mit dem erneuten »Rettungspaket« wurde Uniper in Staatsbesitz überführt. Die Zustimmung der EU-Kommission zu diesem Schritt ist aber an die Bedingung geknüpft, dass der Bund bis spätestens 2028 mindestens 75 Prozent seiner Anteile verkaufen muss. Die Voraussetzungen für eine Reprivatisierung seien angesichts der Entwicklung des Unternehmens, das für 2023 einen Gewinn von 4,4 Milliarden Euro meldete, sehr günstig, heißt es. Es ist indes unwahrscheinlich, dass Gasprom mit 13 Milliarden Schadenersatz dazu beiträgt. Der russische Konzern hat bei einem Gericht in St. Petersburg eine Gegenklage laufen.
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