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Aus: Ausgabe vom 15.06.2024, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Die größte Baustelle

Von Arnold Schölzel
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Bei der EU-Wahl erhielten CDU/CSU und AfD zusammen ein Drittel der Stimmen aller Wähler unter 25. Das Partygegröle »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus« ist offenbar Ausdruck einer verbreiteten rechten Ideologie unter Jüngeren. Am Montag veröffentlichte Johannes Pennekamp, verantwortlicher FAZ-Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung, unter der Überschrift »Woran der Wohlstand hängt« (später: »So lässt sich der Wohlstand retten«) einen Kommentar zur Bildungspolitik. Der Text geht auf das Wahlverhalten der Jüngeren nicht ein, liest sich aber wie eine Stellungnahme dazu. Pennekamp beginnt: »In Deutschland gehen die Lichter aus. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Standortdebatte der zurückliegenden Monate verfolgt hat. Und es stimmt ja auch: Die Wirtschaft wächst nicht mehr, Unternehmen investieren anderswo, Brücken bröckeln und das Bahnnetz ist in einem ›bemitleidenswerten Zustand‹, wie der zuständige Konzernvorstand selbst einräumt.«

Die Debatte, so Pennekamp, habe aber eine »Schlagseite, die der Sache nicht guttut und dauerhafter Besserung im Weg steht«. Gemeint sei nicht, dass die »Untergangsrhetorik« Wasser auf die Mühlen aller sei, »die Deutschland schon immer am Abgrund gesehen haben und sich jetzt in ihren ›Alternativen‹ bestätigt fühlen«. Natürlich benötigten deutsche Betriebe »dringend weniger Bürokratie, günstigere Energie und attraktivere Steuersätze«. Aber damit allein sei der »Wohlstand« – aus dem FAZ-Sprech übersetzt: der Profit des Großkapitals – nicht zu sichern: »Die größte Baustelle ist die Schulbildung.«

Der Autor zählt auf: »Im PISA-Test des Jahres 2022 sind die 15jährigen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften auf die niedrigsten in Deutschland jemals gemessenen Werte zurückgefallen.« Abgesehen von dem »erwartbaren Aufschrei« habe »dieses Debakel« aber »kaum eine Debatte entfacht«. Die Devise scheine zu sein, »bloß nicht genau hinsehen«, obwohl der Handlungsbedarf »größer denn je« sei: »Fast jeder fünfte junge Erwachsene unter 35 Jahren hatte zuletzt keinen Berufsabschluss.« Knapp 2,9 Millionen junge Menschen gingen dem Arbeitsmarkt verloren. Es beginne mit der frühkindlichen Bildung und münde darin, »dass fast jeder dritte Ausbildungsvertrag vor dem Abschluss aufgelöst wird«. Das Problem sei so »gigantisch, dass es einen Neustart im Stil der Hartz-Reformen braucht«. Pennekamp plädiert für eine Kindergartenpflicht, damit Kinder in der Grundschule »ausreichend Deutsch« beherrschen.

Die zweite große Säule, »die den Standort dauerhaft stärker machen könnte«, seien Arbeitsmöglichkeiten für Frauen. Als Hebel dafür sieht Pennekamp »Minijobs abschaffen, Kitas ausbauen und das Ehegattensplitting reformieren«.

Der Autor verlangt, FAZ-üblich, eine Lösung allein vom politischen Personal, nicht etwa vom Kapital: »Rentengeschenke sind für Politiker verlockender als Reformen, die sich erst in mehreren Jahren auszahlen.« Werde aber die Dringlichkeit nicht erkannt, »dann, ja dann, drohen in Deutschland die Lichter weniger hell zu leuchten«.

Das läuft auf »Sechs, setzen!« hinaus. Das Bemerkenswerte: Ähnlich vernichtende Diagnosen waren im Sprachrohr des deutschen Großbürgertums schon öfter zu lesen, bewirkt haben sie nichts. Die jährliche Entlassung Zehntausender Kinder und Jugendlicher in die Arbeitsunfähigkeit schafft Wahlvolk für die Märchenerzähler von rechten »Alternativen« und es schmälert die Rendite. Nicht einmal das hat aber bisher etwas bewirkt.

Erklärungsversuch: Wer sich wie das deutsche Kapital bedingungslos dem US-Befehl zum Krieg gegen Russland unterwirft, hat keine Mittel mehr, um den eigenen Profit langfristig zu sichern. So etwas heißt Teufelskreis.

Die jährliche Entlassung Zehntausender Kinder und Jugendlicher in die Arbeitsunfähigkeit schafft Wahlvolk für die Märchen von rechten »Alternativen« und es schmälert die Rendite. Nicht einmal das hat aber bisher etwas bewirkt.

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