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Aus: Ausgabe vom 17.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Luftverschmutzung

Aktionismus gegen Smog in Delhi

Zwölfpunkteprogramm der Regionalregierung wird den extremen Feinstaubwerten kaum gerecht
Von Thomas Berger
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Eine sogenannte Anti-Smog Gun befeuchtet die Luft auf einer Straße in Delhi 2023

Die Regionalregierung der indischen Hauptstadt Delhi hat einen Aktionsplan für bessere Luft in Kraft gesetzt. Seit dem vergangenen Wochenende soll mit einer Reihe von Maßnahmen die Feinstaubbelastung in der 25-Millionen-Einwohner-Metropole gesenkt werden. Südasiatische Megastädte sind im globalen Vergleich besonders von Smog betroffen, Delhi gehört zu den zehn größten Problemfällen weltweit. Und die anhaltende Rekordhitzewelle mit Höchsttemperaturen von 47 Grad verschärft die Situation.

Die Stadtregierung kann keine Wunder bewirken, das ist auch ihrem Umweltminister Gopal Rai klar, der den Aktionsplan am vergangenen Donnerstag der Presse vorstellte. Das Zwölfpunkteprogramm beinhaltet etwa Neupflanzungen. Wenn Bäume wegen Baumaßnahmen weichen müssen, sind sie nach Möglichkeit umzusetzen. Sonst soll anderswo in der Stadt Ersatz geschaffen werden. Die Erfahrungen mit Umsetzungen sind nicht sehr gut, besagen Medienberichte. Meist wuchsen die Bäume an ihren neuen Orten schlecht an.

Außerdem sollen im Rahmen des Plans bis Mitte September 580 Teams aus Ordnungshütern durch die Straßen patrouillieren, um Baustellen und Industrieanlagen unter die Lupe zu nehmen und die Luftverschmutzung einzudämmen. Wo immer Müll verbrannt wird, ob privat oder gewerblich, sollen sie einschreiten. Minister Gopal Rai setzt auf »auf maximale Partizipation der Öffentlichkeit«, wie India Today am Freitag zitierte.

Leiter von immerhin 30 Behörden wurden auf die Umsetzung des Plans eingeschworen. Aber der Sektor, der die meisten Probleme bereitet, ist so kaum in den Griff zu bekommen. Am meisten Smog produziert noch immer der Verkehr. Zwar gibt es in Delhi das mit Abstand größte Metronetz des Landes. Aber noch immer sind massenhaft ältere Fahrzeuge mit Dieselantrieb auf den Straßen unterwegs.

Im Mitte März veröffentlichten »6. Annual World Air Quality Report« der Schweizer Firma IQ Air war Delhi der Ballungsraum mit der größten Luftverschmutzung weltweit. Der Grenzwert für eine Feinstaubbelastung, die von der Weltgesundheitsbehörde WHO nach aktuellem Kenntnisstand als unbedenklich eingestuft wird, liegt bei fünf Mikrogramm pro Kubikmeter. In Indien wird er im landesweiten Durchschnitt etwa um das Zehnfache überschritten. In der »National Capital Region«, die über das politisch-administrative Stadtgebiet hinausreicht, liegen die Messwerte noch einmal deutlich höher. Der Jahresdurchschnitt 2023 lag hier bei 93 Mikrogramm – im vergangenen November waren es gar 255 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Im April entspannte sich die Situation etwas. Nur an sieben Tagen lagen die Werte über 200. Es war der beste Monat seit sieben Jahren. Lokalpolitiker werteten das als Erfolg bereits ergriffener Maßnahmen. Aber die Linderung war wohl im wesentlichen günstigen Wetterverhältnissen zuzuschreiben. In der seit Wochen anhaltenden Hitzewelle sind die Belastungen wieder extrem.

Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre sprach die Hindustan Times am Freitag von einem »alarmierenden Trend«. 96 Prozent aller Menschen in Indien atmeten Feinstaubpartikel in einer Größenordnung ein, die von der WHO als gesundheitsschädlich gewertet werde, konstatierte die Tageszeitung. In den Nachbarländern Pakistan und Bangladesch ist die Situation kaum besser, die dortigen Metropolen stehen den indischen kaum nach. Und bereits jetzt werden in Indien 2,18 Millionen Todesfälle im Jahr auf Folgen der gravierenden Luftverschmutzung zurückgeführt. Tendenz steigend. Angesichts dieser Herausforderungen wirkt der Plan von Delhi wie hilfloser Aktionismus.

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